Sklarek Persönlichkeiten | Quelle: Tageblatt

Effektive Verträge

Sklarek | Quelle: Tageblatt
Sklareks riefen – und alle, alle nahmen / Quelle: Tageblatt /

Der Fall Sklarek und Friedrichshain.

Von

„Wenn die Geschäftsführung der einzelnen Werke abhängig ist von den Entscheidungen der städtischen Organe und deren Beratungen sich oft wochen- und monatelang hinziehen, ehe die Entscheidung fällt, so ist selbst die tüchtigste Direktion nicht imstande, wirtschaftliche Erfolge zu erzielen. Hinzu kommt die Tatsache, daß diese Entscheidungen sehr oft von politischen Erwägungen und nicht von wirtschaftlichen Notwendigkeiten beeinflusst werden“, war zu lesen und weiter: „Die Anerkennung der Tatsache, daß es bei den bisherigen bürokratischen Verwaltungsmethoden nicht möglich war, ein befriedigendes wirtschaftliches Ergebnis der einzelnen Werkbetriebe zu erzielen. Die wirtschaftliche Unfähigkeit lag nicht an den leitenden und verantwortlichen Organen, sondern die Ursache war das System.“ Dieses System zu ändern, darin sah Wilhelm Schüning seine Aufgabe. Als er 1924 diese Sicht der Dinge veröffentlichte, war er als Stadtrat für den Osthafen zuständig. Partner für seine Mission sollte die Firma „Sklarek“ werden. Ein mittelständisches Unternehmen, das im Ersten Weltkrieg mit Uniformteilen handelte und 1921 eine Konfektions-Handelsgesellschaft wurde. Ein Jahr vorher hatte der Preußische Landtag beschlossen, dass aus sechs kreisfreien Städten und vielen kleinen Gemeinden ein „Großberlin“ werden sollte. Der neue Bezirk „Friedrichshain“ wuchs aus den Gemeinden Stralau, Stralauer Vorstadt, und einem Stück Königsstadt. „Großberlin“ war zu einem gewaltigen Gemeinwesen herangewachsen. 1921 wurde der als Organisator geschätzte Gustav Böß, seit 1912 Stadtkämmerer, zum Oberbürgermeister gewählt. Was Wilhelm Schüning in Worte fasste, setzte Böß konsequent um. Böß bezog die Privatwirtschaft in Gestaltungsprozesse mit ein.

Verflochten

Im Herbst 1921 besaß die Mark nur noch den hundertsten Teil ihres Wertes vom Sommer. Bis 1923 stürzte der Wert ins Bodenlose. Wie viele Betriebe überlebte der Textilgroßhandel „Sklarek“ die Inflationszeit mit Geschäften „Ware gegen Ware“. Zusätzlich wurde in Nähstuben Dienstkleidung für städtische Angestellte und billige Konfektion für Sozialhilfeempfänger hergestellt. Gute Kontakte zur Politik waren hilfreich. Wie die Sklareks war Böß, der die Brüder seit Weltkriegszeiten kannte, Mitglied der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Auch städtische Unternehmen, wie die Kleider-Vertriebs- Gesellschaft (KVG), gaben Schuhe und Wäsche an Bedürftige aus. Die KVG war in der Kriegs- und Nachkriegszeit tätig, saß Mitte der 20er Jahre auf einem Bestand minderwertiger Kleidung und war insolvent. Die Sklareks übernahmen diese „Ramschlast“ nach Verhandlungen mit Böß. Zum Dank forderte Böß alle städtischen Dienststellen auf, „weil dort alles billiger ist“, ihren Bedarf an Textilien „bis auf weiteres bei der Firma Sklarek zu decken”. Damit hatten die Sklareks ein Monopol, die Berliner Kranken-, Altersund Waisenhäuser sowie die Blindenheime mit Textilien zu beliefern.

Sklarek Persönlichkeiten | Quelle: Tageblatt
Wichtige Persönlichkeiten schnell gezeichnet / Quelle: Tageblatt /

Wechselseitiger Nutzen

„Wir haben ja niemanden etwas angeboten. 1923 kamen alle mit Gummikragen und Holzschuhen zu uns und wollten eingekleidet werden, trotzdem sie große Gehälter hatten“, sagte Leo Sklarek später. Jedoch luden Sklareks auch Beamte, die Einfluss hatten, zu „Besichtigungen“ ein. Die Beamten durften sich Garderobe aussuchen. Diese Maßkleidung kam von einer Schneiderfirma, deren Etikette herausgetrennt wurden und war keine Konfektion der KVG. Jeder Anzug war 400,- Mark wert. Der Buchhalter Tuch hatte eine 70 hinter jede Rechnung zu schreiben. Solche Kunden zahlten nur einen kleinen Betrag. Auf Rechnungen ganz wichtiger Kunden stand: „Nicht mahnen!“ Das bedeutete kostenlos. Dieser „Service“ kostete die Sklareks 90.000 Mark. Ein Service neben vielen anderen waren Anzeigen, wie sie das Bezirksamt Friedrichshain in einer eigenen Zeitschrift veröffentlichte. Hier schaltete die KVG ganzseitige Inserate. „Kein Kaufmann war so dumm, auf das Risiko hin, bei der nächsten Lieferung ausgeschlossen zu werden, eine derartige ‚freiwillige Spende‘, abzulehnen“, war später in der Zeitung zu lesen. Ihrerseits schickte die KVG Briefe, wie zum Beispiel an das Friedrichshainer Krankenhaus: „Unsere Firma hat durch Verträge mit der Stadt Berlin die Belieferung der städtischen Wohlfahrtsämter, Kriegs- und Hinterbliebenen-, Erwerbslosen-, überhaupt aller Fürsorgestellen sowie Krankenanstalten, Erziehungsheime etc. mit Herren-, Damen-, Knaben-, Mädchen- und Kinderkonfektion, sowie Textil- und Schuhwaren übernommen und der Stadtgemeinde Berlin die denkbar günstigsten Preise und Zahlungsbedingungen eingeräumt.“

Schlachtfeld

Für die meisten Berliner bestanden die „Goldenen Zwanziger“ aus Katzengold. Vom gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung bekam mancher etwas ab vom Kuchen, die meisten Kriegsgeschädigten allenfalls Krümel. Als 1929 im Rahmen einer routinemäßigen Buchprüfung herauskam, dass die Firma Sklarek Lieferscheine gefälscht und der Stadt Schäden in Millionenhöhe entstanden, hatten Parteien und Zeitungen ihr Thema: das Wohlleben der Sklareks und ihrer Unterstützer und der allgegenwärtige „Filz“. 1931 schrieb das Tageblatt: „Die angeklagten Beamten der Stadt, Freunde und Helfer der Sklareks, waren vielmehr die Ausführungsorgane. Während diejenigen, die die eigentliche Verantwortung für die Verträge der Firma mit der Stadt Berlin tragen, zwar die Freundschaft der Sklareks und ihre Vorteile genossen, aber aus dem Hintergrunde wirkten und auch jetzt natürlich nicht auf der Anklagebank sitzen“. Auf Wilhelm Schüning traf das so nicht zu, er nahm sich das Leben. Gustav Böß trat zurück. Der Schatten des Skandals verdunkelt seinen Anteil an der Modernisierung der Stadt, die Berlin zur „Roaring City“ werden ließ. Die Brüder Sklarek, ihre jüdischstämmige Familie war Ende des 19. Jahrhunderts aus Russland nach Berlin gekommen, wurden 1932 zu je vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Willi Sklarek starb am 18. März 1938 in Prag, Leo Sklarek wurde am 22. Mai 1942 im KZ Sachsenhausen erschossen und Max Sklarek am 30. September 1944 im KZ Auschwitz ermordet. Sehr zurückgezogen starb Gustav Böß 1946.

 

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