Die Gryphiusstraße und mehr.
Von
„Wo lust ist / da ist angst; wo frewd’ ist / da ist klagen. Wer schöne rosen sicht / siht dornen nur darbey. Kein stand / kein ortt / kein mensch ist seines Creutzes frey. Wer lacht; fühlt wen er lacht im hertzen tausend plagen. Wer hoch in ehren sitzt / mus hohe sorgen tragen. Wer ist der reichthumb acht / vnd loß von kummer sey? Wo armutt ist; ist noht. wer kent wie mancherley, Trawrwurmer vns die seel vnd matte sinnen nagen. Ich red’ es offenbahr / so lang als Phoebus licht, Vom himmell ab bestralt / mein bleiches angesicht, Ist mir noch nie ein Tag / der gantz ohn angst bescheret: O welt du threnen thall? recht seelig wirdt geschätzt; Der eh er einen fus/ hin auff die erden setzt. Bald aus der mutter schos ins himmels lusthaus fähret.“
Der Schöpfer dieser Zeilen, Andreas Gryphius, war Student an der Universität Leiden, die er vom Frühjahr 1638 an für 6 Jahre besuchte. Die niederländische Universität gehörte im 17. Jahrhundert zu den progressivsten in Europa, nicht zuletzt weil René Descartes hier Philosophie lehrte. Gryphius war als Student der Philosophie eingetragen. Vielseitig interessiert, war er Zuschauer des „Anatomischen Theaters“, des „Theatrum Anatomicum“, in dem Leichenöffnungen praktiziert wurden. Das Theater zog zur damaligen Zeit seinen Schauwert auch daraus, dass hier Tabuthemen wie Sex, Tod oder Schmerz vor nackten Körpern besprochen wurden. 1658 ging Gryphius nach Breslau. Hier setzte er Gelerntes um, indem er öffentlich 2 Mumien sezierte. Mumienauszüge, ob als Kügelchen oder Pulver, galten ähnlich dem heutigem Botox als Wundermittel. Aber nicht deshalb wurde der am 2. Oktober 1616 in Glogau Geborene bekannt, sondern als ruhmreicher deutscher Autor von Gedichten und Theaterstücken der Barockzeit, dessen Name seit 1902 die Gryphiusstraße ziert.