Die Liebigstraße | Quelle: Wiki commons

Viel Chemie

Die Liebigstraße | Quelle: Wiki commons
Die Liebigstraße, ein Ort der Auseinandersetzung auf vielen Ebenen. / Quelle: Wiki commons /

Neue Chemie

Anfang Dezember 1990 erlebten nicht nur Ortsunkundige, die in der Liebigstraße standen, eine Überraschung. Auf allen Straßenschildern war „Mainzer Straße“ zu lesen, in der besetzte Häuser geräumt wurden. Handzettel und nach der Räumung an Hauswände gesprühte Schriftzüge klagten oder klärten über diese Vorgänge auf. Auch daß es keine „guten und schlechten besetzten Häuser“ gäbe. Das es falsch sei, deren Bewohner in Chaoten und friedliche Besetzer zu unterscheiden. So hatten die Bewohner eines nicht geräumten besetzten Hauses in der Scharnweberstraße ein Café eröffnet. Alle Nachbarn waren herzlich zum Beisammensein mit Hausbesetzern eingeladen. Jedoch. Die „Straßenumbenennung“ wurde jedoch von manchen Anwohnern als Warnung verstanden: „Krieg sei unausweichlich, wenn die Hausbesetzer ihre Häuser nicht wiederkriegen“. „Wir wollen mit Ihnen diskutieren, Infos austauschen und gemeinsam Lösungen suchen“, war im Juli 1991 auf Plakaten zu lesen. Im „Café X-B-Liebig“ in der Liebigstraße 34 – in einem besetzten Haus – setzten sich daraufhin am 10. August 1991 20 Anwohner mit einem Dutzend Besetzerinnen und Besetzern an einen Tisch. Das Thema war: Mieterhöhungen zum 1. Oktober 1991. Die Empörung war groß. „Wir werden ja als Bürger zweiter Klasse behandelt“, kommentierte eine Rentnerin aus der Rigaer Straße, weil sich nur wenige Hausverwalter um korrekte Informationen bemühten. „Ja“, klagte ein Ehepaar, „Wir haben gerade unsere Mieterhöhung erhalten“. Ein Berater der Berliner Mieter-Gemeinschaft empfahl: „Sie bekommen die Mieterhöhung einen Monat vor Inkrafttreten. Dann sollten sie so schnell wie möglich Einspruch einlegen. Ein Großteil der Forderungen sei sowieso so nicht zulässig“. Eine Hausgemeinschaft schrieb an den damaligen Berliner Bürgermeister Diepgen einen Brief, in dem sie ihre Probleme schilderten, und bekamen nur zur Antwort, er wäre für Mietprobleme nicht zuständig. Ein Mieter aus der Liebigstraße sagte: „Man kann doch nicht alles so hinnehmen“ und schlug vor: „Erst einmal mit den Mitmietern im Haus zu reden“. „Widerstand ist die halbe Miete“, war das Motto der Gesprächsrunde, die mit dem Ergebnis endete: „Ein Grundrecht wie Wohnen darf eigentlich kein Spekulationsobjekt sein“.

 

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