Ein Besuch in Claudia’s Berufskleidung.
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Wann haben Sie sich zuletzt etwas Schickes zum Anziehen gekauft? Bei dieser Frage fällt wahrscheinlich wohl jedem eine Antwort ein. Aber bei der Frage, wann man zuletzt eine schicke Berufskleidung gekauft hat, wird es wohl schwieriger – denkt man. Dabei ist es längst nicht mehr so, dass Berufskleidung uniform, einfarbig und altmodisch sein muss. Modetrends gibt es inzwischen auch in diesem Metier, wie mir Catrin Schubert und ihre Tochter Juliane erklären. Ich bin mit ihnen in ihrem Geschäft „Claudia’s Berufskleidung“ in der Karl-Marx-Allee 67 verabredet, ein traditionelles Geschäft an der Ecke Lebuser Straße. Schon zu DDR-Zeiten wurden hier Lederwaren und Berufskleidung verkauft. Die alten Leute aus der Gegend behaupten, dass es diesen Laden hier schon immer gab. „In den 1980er Jahren gab es in der Berufskleidung die gestreiften Fleischerhemden und weiße Malerhosen, die dann gebatikt wurden. Da standen die Leute Schlange!“, erinnert sich Catrin.
Ein Familienbetrieb
Catrin ist ein Mensch, mit dem man schnell ins Gespräch kommt. „Ich habe das Geschäft 2008 von meiner Mutter Claudia übernommen, bin aber auch schon seit 1992 im Laden dabei“, erzählt sie. Gelernt hat sie Wirtschaftskaufmann – so lautete damals der Beruf auch für Frauen – und gearbeitet im Berliner Handelstransport. „Durch meine Mutter Claudia bin ich hier her gekommen. Sie selbst war Chefsekretärin im Kosmetikkombinat Berlin.“ Nach 1990 gab es das nicht mehr, und sie begann hier im einstigen Konsumgeschäft 1991 als Verkäuferin. Ein Jahr später übernahm sie das Geschäft und führte es unter jetzigem Namen weiter. Die Großmutter hatte für diesen Laden als Schneiderin gearbeitet. Mit der Tochter Juliane sind vier Generationen starker Frauen mit diesem Geschäft verbunden. Juliane ist gelernte Handelskauffrau. Sie spricht ein sehr gutes Englisch, mit dem sie Touristen bedient, mit ausländischen Anbietern verhandelt aber auch Kunden und Firmen aller Branchen berät. „In Mitte und Friedrichshain gibt es viele Gastronomen“, sagt Juliane. „Da geht es hoch her, nicht nur sprachlich.“ Durch Outdoor-Anbieter hat sich die Berufskleidung bedeutend geändert. Sie ist jetzt farbiger und schicker geschnitten. „Manche Leute kaufen sich auch Berufskleidung für die Freizeit, weil sie bequem, strapazierfähig, langlebig ist und nicht so teuer.“ Aber man kann auch gerne etwas mehr investieren, wenn man will. Catrin zeigt mir eine dunkle Hose aus Stretch, bei der man die Knie nach Bedarf polstern kann. Die ist ultramodern und eignet sich bestens für den Arbeits- oder Freizeitbereich. „Die kostet aber auch nicht wenig.“ Erstaunlich, was das Geschäft alles anbietet: Kleidung für Mediziner, Warnwesten für Kinder, Kochmützen, Jacken und Hosen in allen Farben und jede Menge Sicherheitsschuhe. „Sollte mal etwas nicht passen, wird es von Juliane passend gemacht“, betont Catrin. „Wir können auch die im Laden gekaufte Kleidung besticken und bedrucken. Auch das Thema Nachhaltigkeit hat in der Branche Einzug gehalten und Juliane und Catrin haben sich ihm verschrieben. „Manche Kunden vertragen keine Chemiefasern, sondern verlangen nach Naturfasern.“ Auch dafür gibt es Anbieter. „Wir achten auf das Nachhaltigkeit-Siegel. Und: was in der Nähe liegt und nicht so viel ist, wird jetzt mit dem Fahrrad ausgefahren“, ergänzt Juliane.
Neuerungen und Tradition
Gibt es eigentlich noch den klassischen Blaumann?, erkundige ich mich. „Nicht mehr so häufig“, bekomme ich zur Antwort. „Zeitarbeitsfirmen kaufen die meistens noch, für Leute, die dann in Hallen oder irgendwo drinnen unterwegs sind. Tragen will die aber kaum einer mehr.“ Juliane vermutet auch: „Die werden irgendwann aussterben.“ Wie die Kittelschürzen. „Die gibt’s ja auch kaum noch“, sagt Catrin. „Viele Anbieter haben sie längst aus dem Sortiment gestrichen. Aber immer noch kommen Kundinnen und fragen danach.“
Ich schaue mich um und bemerke eine Box auf der steht: „weiße Arztsocken, kochfest“. Noch nie in meinem Leben habe ich mir Gedanken darüber gemacht, was Ärzte für Strümpfe tragen. Das muss man alles wissen als Verkäuferin für Berufskleidung. „Ich erkenne meist schon die Größe der Kunden auf den ersten Blick“, sagt Catrin. „Die Kunden freuen sich darüber.“ Was für ein Zufall! Ein Zimmermann auf Walz betritt den Laden in schwarzer Deutschleder Schlaghose, mit weißer Staude, Zunftweste und breitkrempigem Hut. Ich bekomme gleich noch eine Kurzeinweisung in das Brauchtum dieser Handwerker: „Das war ein Rolandsbruder. Die müssen drei Jahre und einen Tag auf Wanderschaft sein. Dann erst dürften sie sich bei uns eine Ehrbarkeit kaufen – das ist eine Art Krawatte. Die dürfen wir nur unter Vorlage des Wanderbuchs verkaufen, in dem die Wanderschaft bestätigt wurde.“ So eine Ehrbarkeit darf niemand berühren, auch den Hut nicht. Es ist Catrin und Juliane anzusehen, wie sehr sie sich freuen, dass die Zimmerleute auf Walz zu ihnen kommen. Catrin stellt zufrieden fest: „Es gibt bestimmte Dinge, die bleiben bestehen!“ Inzwischen sind es viel mehr junge Handwerker, die sich zur Wanderschaft entschließen. Haben sich die Kunden geändert in den letzten Jahren? Catrin überlegt: „Es gibt jetzt die Zeitarbeitsfirmen, die früher nicht da waren. Und es kommen viel mehr Touristen ins Geschäft.“ Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: „Wenn die U5 bis zum Hauptbahnhof fährt, dann gibt es für viele eine weitere Verbindung zu uns.“ Um die Zukunft ist es den Frauen in der Berufskleidung nicht bange. Wir wünschen, das dies immer so bleiben möge.