Der Helsingforser Patz vor der Bebauung 1984

Doppelt nordisch

Zeichnung der neuen Blockrandbebauung mit Berliner Ecken am Helsingforser Platz
Erste Veröffentlichung einer Zeichnung der neuen Blockrandbebauung mit Berliner Ecken.
/ Quelle: Architektur der DDR 32/1983 /

Eine bautechnische Neuerung …

Die spitz zulaufende Kriegsbrache am Helsingforser Platz blieb Jahrzehnte lang nach dem Abriss der Ruinen frei. Eine Neubebauung mit den nur schwer an das Straßenraster anzupassenden industriell vorgefertigten Wohnblocks, die ab Ende der 1950er Jahre zur Verfügung standen, schien viele Jahre unmöglich. Doch zu Beginn der 1980er startete hier das Pilotprojekt „Komplex Marchlewskistraße“, das vorsah, Plattenbauten der Wohnungsbauserie 70 an bestehende Häuserfluchten und Dachkanten anzupassen. 1983-84 entstanden hier 262 familiengerechte Wohnungen. Neu an diesen Gebäuden war, dass die Drempelgeschosse, halbhohe Dachgeschosse, die Regenrinnen und Abluftleitungen bergen, etwas schräg und farbig gestaltet waren und so zu den Dächern der Altbauten passten. Zwar entstanden keine nahtlosen Übergänge, doch waren diese auch nicht mehr so schmerzhaft abrupt, wie sonst bei Neubaublocks, die neben Altbauten gesetzt wurden.  Auch die typischen Berliner Ecken, hier wurden sie erstmalig in industrieller Bauweise ausgeführt.

… die keiner sieht

Erstmalig wurden auch Boden- und Deckenplatten mit nicht quadratischen Grundrissen verbaut. Ein Quantensprung in die DDR-Architektur, denn dies eröffnete neue Möglichkeiten, industriell vorgefertigte Häuser besser in die zahlreichen Kriegslücken einzupassen. Und dennoch hat das Haus am Helsingforser Platz, das inzwischen saniert ist, eine Anmutung wie ein gewöhnlicher Plattenbau. Architekten berichten, dass ihnen weniger die Projektierung der Gebäude Kopfzerbrechen bereitete, als vielmehr das Gebaren der Leiter der Plattenwerke, denen der Plan im Nacken saß und die sich auf keine Änderung der Produktion einlassen wollten. „Immer dieselbe Wurst, die hinten rauskam!“, so klagten manche. Um so mehr ist ihr Engagement zu würdigen, um die Stadt unter den gegebenen Umständen schöner zu machen.

Fotogalerie – eine Institution nicht nur im Bezirk

Ungewöhnlich war auch das als Ladengeschoss ausgebaute Erdgeschoss. Wohnungen konnten in der DDR jederzeit gefüllt werden, Läden nicht immer. Doch kein Laden zog hier ein, sondern die Fotogalerie Friedrichshain, die fast aus dem Stand heraus zu einem Geheimtipp wurde. Es scheint wie ein Wunder, dass dieses Kleinod trotz der in den letzten beiden Jahrzehnten mitunter unbeherrscht erscheinenden Streichexzesse im Kulturbereich überlebt hat. So könnte man fast sagen, dass der Platz ein drittes Mal Geschichte geschrieben hat.

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