Martin Rammensee | Foto (Detail): Giovanni Lo Curto

Wir sind Teil der Verkehrswende

chäftsführer Martin Rammensee von PeekUp in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain | Foto: Giovanni Lo Curto
Dreh- und Angelpunkt des Geschäfts sind die Lager. Die Einrichtung orientiert sich an den Versandzielen der Gegenstände. / Foto: Giovanni Lo Curto /

An- und Verkauf heute.

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Secondhandläden, sie erinnern immer an Geschäfte mit vollgestellten Tischen und Regalen, mittendrin irgendwo eine gemütliche, wahlweise auch schrullige ältere Person, die selbst schon Teil des alten Mobiliars ist, oft selbst vom Virus des Sammelns angesteckt. Doch das Trödlerprinzip „Hinstellen und Warten, bis jemand kommt, der es kauft“ gibt es längst nicht mehr.

Transport als Geschäftsidee

Das erfahre ich beim Besuch des Ladens PeekUp in der Rigaer Straße 105, wo ich mich mit Geschäftsführer Martin Rammensee treffe. Hier arbeiten mehrere junge Leute, die genauso wenig wie Martin den Eindruck von Trödlern erwecken. Das können sie auch gar nicht, denn das Geschäft läuft ganz anders. Der Laden selbst wirkt auf den ersten Blick wie ein An- und Verkauf von schönen alten Sachen, für die sich inzwischen der Begriff „vintage“ eingebürgert hat.
„Am Anfang stand die Idee, etwas mit Lastenfahrrädern zu machen“, erklärt Martin. „Wozu braucht man in der Stadt ein Auto?“, fragt er und antwortet selbst: „Wenn man Transporte benötigt, etwa für Getränke oder den Familieneinkauf oder wenn man zum Wertstoffhof fährt.“ Letzterer Gedanke führte zur Geschäftsidee, denn manches lässt sich mit Transporträdern erledigen. Aber es geht nicht um den Transport allein, sondern um die Wiedernutzung.
„Wir wollen, dass die Leute ihre Sachen in gute Hände abgeben.“ Die Leute sollen wissen, dass ihre Gegenstände, die sie nicht mehr brauchen, von PeekUp weiter vermittelt werden. „So merkwürdig es klingt, unser größter Konkurrent ist die Mülltone.“ Menschen, die sich von alten Sachen trennen wollen, wird angeboten, diese zu einem Festpreis je Umzugskarton abzuholen.

Gebrsauchtwarenladen PeekUp in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain | Foto: Giovanni Lo Curto
Für die Laufkundschaft sind die schönsten Gegenstände auf dem Fensterbrett positioniert.
/ Foto: Giovanni Lo Curto /

Nachhaltigkeit und Effizienz

„Wir nehmen den Leuten Arbeit ab und vermitteln ihnen das Wissen, dass ihre Dinge nicht auf dem Müll landen. Den Transport erledigen wir mit unseren verschiedenen Lastenrädern“, sagt der Geschäftsführer und fügt nicht ohne Stolz hinzu: „Wir sind Teil der Verkehrswende.“ Verwertet werden die Gegenstände durch Verkauf im Internet. Es gibt für alles spezielle Verkaufsplattformen, für Bücher, technische Geräte, Spielsachen, Kleidung, Bürostühle und so weiter. Man muss schnell agieren und Zeit investieren. So entsteht ein ständiger Zu- und Abfluss von Waren. Käuferinnen und Käufer in der Gegend werden darum gebeten, einfach im Laden vorbeizukommen. „So erfahren sie, dass es hier auch was Schönes zu kaufen gibt. Und sie kaufen dann.“
Es sind aber auch Touristen, die vorbeikommen und reinschauen und es sind Leute aus dem Kiez. Manche machen bei ihrem täglichen Rundgang hier Station, neugierig, ob es was Interessantes gibt, oder sie schwatzen einfach nur ein bisschen. Die Einrichtung der Lagerräume hinter dem Laden erscheint auf den ersten Blick als ungewöhnlich. Regale, in denen sich bis zur Decke Kisten stapeln. Deren Inhalte jedoch sind gut sortiert: Bilderrahmen, Haushaltsreiniger, Verpackungen mit ungetragenen Kinderschuhen, eingeschweißte Handtuchhalter. Nur 20 Prozent der Waren machen 80 Prozent des Umsatzes aus. Es ist nicht immer einfach, die wertvolleren Gegenstände auszumachen. Genauso wie es schwierig ist, sich von nicht Verkaufsfähigem zu trennen. Man kann nicht steuern, was rein kommt. „Inzwischen habe ich mich schweren Herzens daran gewöhnt, auch Gegenstände, die ich schätze, wie zum Beispiel bestimmte Bücher, die niemand mehr haben will, zum Altpapier zu geben. Dann werden sie wenigsten als Rohstoff weiterverwendet.“ Sogar die Umzugskartons werden wiederverwendet und können gebraucht für 50 Cent je Stück im Laden erstanden werden.

chäftsführer Martin Rammensee von PeekUp in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain | Fotos: Giovanni Lo Curto
Ein freundlicher Secondhandshop erwartet die Kunden im ersten Verkaufsraum.
/ Foto: Giovanni Lo Curto /

Kein klassischer Trödler

Martins Weg nach Berlin ist ungewöhnlich. „Ich komme aus der Tech-Welt und studierte in Karlsruhe Wirtschaftsingenieur. Mit so einem Abschluss wird man normalerweise Berater in einer Firma oder arbeitet bei einem Konzern.“ Als der Fernbusmarkt liberalisiert wurde und viele kleine Busunternehmen entstanden, entwickelte er eine Suchmaschine für die günstigsten Verbindungen.
„Ich wollte nach ein paar Jahren da raus und wäre auch nach Bukarest gegangen. Aber durch die Firma war ich gebunden.“ Schließlich verkaufte er sie an ein Berliner Unternehmen. Für die Einarbeitung nach der Übergabe pendelte er regelmäßig nach Berlin, bis er schließlich hier blieb. „Weil die Vielfalt der Anbieter im Busgeschäft abgenommen hat, lohnt sich dieses Geschäftsmodell nicht mehr“, fügt er hinzu. Die Arbeit im Laden öffnete ganz neue Erfahrungshorizonte: „Meine Suchmaschine war ein Unternehmen ohne jede Kundenbeziehung. Jetzt ist es umgekehrt. Von vielen Gegenständen kenne ich die Geschichte und sehe noch die Gesichter dazu. Das habe ich so noch nicht erlebt.“
Eine echte Kundenbindung aufzubauen, Kauf- und Besuchserlebnisse zu vermitteln, vielleicht auch mittels Abendveranstaltungen, ist ein Ziel des Unternehmens. Daran arbeiten sie mit viel Engagement. Verlässliche Öffnungszeiten von 10:00 bis 17:00 Uhr, manchmal auch bis 21:00 und 22:00 Uhr sind ein Weg dahin. „Man kann immer klingeln, wenn das Licht an ist.“

chäftsführer Martin Rammensee von PeekUp in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain | Fotos: Giovanni Lo Curto
Der andere Ausstellungs- und Verkaufsraum atmet die Gemütlichkeit eines überschaubaren Trödlers. / Foto: Giovanni Lo Curto /

Nachhaltigkeit

Den Laden in der Rigaer gibt es seit Februar 2021. Inzwischen entsteht ein neuer in Neukölln. Der Gedanke dahinter ist, in den jeweiligen Kiezen einfache Möglichkeiten zu schaffen, alte, nicht mehr benötigte Gegenstände abzugeben und diese effizient neu zu verteilen. Dieser nachhaltige Umgang betrifft bei PeekUp nicht nur die Ressource Gebrauchsgegenstände, sondern auch die Mitarbeiter selbst. „80 Prozent der Betriebsausgaben wird für das Personal ausgegeben. Wir bezahlen über dem Mindestlohn und streben langjährige Mitarbeiterbindungen an. Die Identifizierung mit dem Geschäft wird auch dadurch gefördert, dass Mitarbeiter zum Teil in Entscheidungen der Geschäftsplanung mit eingebunden werden. Diese Art des Umgangs mit Angestellten beobachtet man inzwischen öfter in Berlin. Auch das ist eine Entwicklung, die Hoffnung weckt. Nachhaltigkeit ist nämlich auch eine Frage des Umgangs miteinander. Schauen Sie doch mal bei PeekUp vorbei.

www.peekup.de

 

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