Der Boogie-Club in der Berliner Nürnberger Straßein den frühen 1950er Jahre. Quelle:Propagandazeitschrift der FDFJ

Hell und Dunkel

Sabotageaufrufe 1952 | Quelle: BStU
Kleine Stempel mit Sabotageaufrufen wurden auf Briefkuverts verschickt. / Quelle: BStU /

Freunde

Horst Hertel und Werner Dyballa waren Kumpels und wohnten in der Barnimstraße. Beide um die 20, überstanden sie die Nachkriegszeit wie viele andere ihres Alters mit vielen Tricksereien, und kamen immer mit einem blauen Auge davon. Mal fälschte Horst sein Alter im Personalausweis oder wurde wegen einiger Buntmetalldiebstähle angezeigt. Mit Hans-Ulrich Blaeske, Gerhard Müller und Hans Schulz waren sie die „Barnim-Clique“. „Hansis“ Freundin, war mit „einem aus dem Westen“, bekannt, der Freikarten für „Boogie- Woogie-Turniere“, oder für „Damen-Schlamm-Catchkämpfe“, verschenkte, die im Catcher-Zelt an der Gedächtniskirche veranstaltet wurden. Eines Tages lud er die Clique in seinen Jugendklub ein, der in der Potsdamer Straße war, zu kommen. Im Gruppenraum hing eine amerikanische Flagge. „Der aus dem Westen“, wurde mit „Toska“ angesprochen, sein Stellvertreter mit „Wittka“, die anderen als „Catcher“, „Taubenzüchter“, „Mohrchen“ oder „Feueromme“. Seinem realen Namen nannte keiner. Dieser konspirative „Dunst“ aus Abenteuer übte auf die „Barnim-Clique“ einen großen Reiz aus. „Toska“ wurde schnell deutlich, was sein Ziel war, als er sagte: „Um den Osten zu bekämpfen, muß man Waffen benutzen“. Er verteilte amerikanische Sportgewehre. Zeigte, wie man sie auseinander nimmt, zielt. Später gab er Einführungskurse zu Kampftechniken. „Toska“, über den gemunkelt wurde, er wäre Amerikaner, traf voll den Nerv der Barnim-Clique. Was ihre Mitglieder nicht wußten, „Toska“, gehörte zum „Bund deutscher Jugend“. Der „BdJ“, übte in Hessen Bürgerkriegsaktionen und war in der BRD verboten, nicht aber in Westberlin. Von „Toska“ und „Catcher“ ermuntert, sollten alle „im Osten richtig Putz machen“. Gelegenheit dafür war am Nachmittag des 17. Juni 1953. Die „Barnim-Clique“, stand vor dem Frauengefängnis. Vergeblich versuchten sie, einen Sturm auf das Gebäude zu organisieren. Das klappte nicht. Dafür schlugen sie die Scheiben von einem sowjetischen Buchladen ein und wurden kurz darauf verhaftet. Für die SED-Propaganda waren die fünf eine Hilfe, um von der eigenen Misswirtschaft und deren Fehlplanungen abzulenken. Der Strafprozess sollte beweisen, wie und auf welche Weise westliche Geheimdienste „den friedlichen Aufbau“ der DDR stören würden. Trotz der relativ geringen Sachschäden wurden Müller und Dyballa zu je zehn Jahren, Blaeske zu 12 Jahren, Hertel zu acht Jahren und Schulz zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. In geradezu hysterischer Übertreibung war die politische Atmosphäre Berlins dieser Zeit vom blindwütigen Antikommunismus wie vom stalinistischen Verfolgungswahn geprägt, wobei sich die SED wegen ihrer vielen unpopulären Maßnahmen auf eine eher kleine treue Anhängerschar stützen konnte und deshalb nervös auf jede Kritik reagierte. Beiden Stadthälften gemeinsam waren die massiven wirtschaftlichen Probleme, die sich aus der Teilung der Stadt, den weiträumigen Kriegszerstörungen, wie auch der Kapitalflucht ergaben. Allerorten blühte der Schwarzhandel. Junge Frauen, die sich nur ein paar Nylonstrümpfe im „Westen“ kauften und bei ihrer Rückkehr an der Oberbaumbrücke wegen „Währungsvergehens“ festgenommen wurden, saßen über Wochen „in der Barnimstraße“ ein.

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