Louis Kellers Festsäle in der Koppenstraße, Berlin, Quelle: FHXB-Museum

Liederlust, Arbeiterkampf und Inflation

Filmplakat vom Kino Alhambra in der Koppenstraße 29 in Berlin, Quelle: Privatarchiv
Filmplakat vom Alhambra: Das Kino existierte von 1912 bis 1943 und hatte über 1.000 Sitzplätze.
/ Quelle: Privatarchiv /

Alhambra in Nöten

Die 1894 eröffneten Festsäle vom Louis Keller waren Restaurations- und Veranstaltungsräume mit Kegelbahn und Billardzimmer. Die Festsäle gehörten zu einem Gewerbehof, der tiefengestaffelt von der Koppenstraße 29 bis zur Fruchtstraße 61 reichte.
„Nur vor geladenem Publikum“ durfte am 7. Dezember 1906 Max Halbes „Jugend“ aufgeführt werden. Der Astronom Archenhold hielt am 4. März 1908 seinen ersten Lichtbildervortrag zum Werden und Vergehen im Weltraum.
Das Hauptgeschäft der Festsäle bildeten aber „Humoristische Soireen“ des zeitgenössischen Chansonisten Otto Steidl oder „Schnurren“ wie „Das Schwert des Diamokles“. Paul Linkes „Lass den Kopf nicht hängen“ war hier häufig zu hören, wie „Die Erbin von Siegenstein“, ein Ritterspiel in fünf Aufzügen, zu sehen war. Nach den Veranstaltungen standen Tanzabende auf dem Programm. 1912 begannen die Umbauten zu einem Kino mit über 900 Sitzplätzen. Oft wechselten die Besitzer. Das Kino firmierte mal als „Filmpalast“ oder „Kellers Filmpalast Koppenstraße“, aber meistens als „Alhambra.“ Die Anzahl der Sitzplätze erhöhte sich bis auf über 1.100 in den zwanziger Jahren. Das „Alhambra“ war 1931 schwach besucht. Ein Glasbaldachin mit Lichtreklame über beiden Eingängen sollte mehr Besucher anlocken. Weil dieser Umbau zu weit in die Koppenstraße hinein ragte, lehnte die Bauaufsicht das ab.
Ähnliches erfuhr im März 1922 die „Bernd Schimmel & Co. Landesprodukte, Kolonialwaren Engros“ aus der Koppenstraße 29 wegen einer Kaffeeröstmaschine. Deren Hitzeentwicklung kollidierte mit der Vorschrift, dass zm Heizen nur Öfen im Gebäude stehen durften. Dank geschickter Verhandlungen mit der Bauaufsicht erzielte die Vermieterin des Gewerbe­hofes, die 1910 gegründete „Industriestätte Fruchtstraße Aktiengesellschaft“, in diesen und anderen Fällen Kompromisserfolge. Die Aktiengesellschaft war eine Gründung von fünf Töchtern des einstigen Gewerbehofeigners Meyer Max Wygodzinski. Die Gründerinnen verloren infolge der Inflation ihr ganzes Kapital. Bei schwachen Mieteinnahmen kämpften sie um jeden Mieter. Wegen der Wirtschaftskrise von 1929 und der Diskriminierung jüdischer Unternehmer nach 1933 verlor die „Industriestätte“ zahlreiche Gewerbetreibende. Es fanden sich nur wenige neue Unternehmen, die in diesem großen Gebäudekomplex arbeiten wollten. 1936 wurde die Aktiengesellschaft  aufgelöst.
Am 23. Februar 1944 gegen 18 Uhr 58 brannte das „Alhambra“ nach einem Bombenangriff aus. Verschläge, Balken, die Decke und der Fußboden gingen in Flammen auf. Das Feuer griff auf weite Teile des Gewerbehofes über, bis nur noch Schutt und verbogene Eisenträger übrig blieben. Trümmer und Schutt bestimmten das Bild der Koppenstraße in den ersten Nachkriegsjahren. Ein neues Kapitel wurde aufgeschlagen, als im Februar 1952 die „Deutsch-Sowjetische Freundschaft“ eine Patenschaft für den Bau eines Hauses „unter Anwendung sowjetischer Arbeitsmethoden“ an der Stalinallee / Ecke Koppenstraße übernahm. Die alten Straßenzüge wurden weitgehend verändert. Heute stehen auf dem Grund der traditionsreichen Festsäle des Louis Keller Neubauten der 1970er Jahre.

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