Die Mögliner Straße in den 1930er Jahren (Postkarte)

Längst verschwunden: die Mögliner Straße

Die Mögliner Straße in den 1930er Jahren (Postkarte)
Die Mögliner Straße in den 1930er Jahren (Postkarte)

Die kleinste Straße Friedrichshains

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Einst gab es in Friedrichshain eine breite, mit repräsentativen Wohn- und Geschäftshäusern bebaute Straße, die so kurz war, dass sie gerade einmal drei Adressen abgab. Die Eckgebäude bezogen ihre Nummern von den jeweils anderen Straßen her, also von der Frankfurter Allee und der Weberstraße.

Ein Feldweg nördlich der Frankfurter Allee, 1770. / Bild: Landesarchiv Berlin /
Ein Feldweg nördlich der Frankfurter Allee, 1770.

Ein merkwürdiger Straßenknick

Welcher merkwürdige Straßenplanungsbeamte dachte sich in der preußischen Hauptstadt, in der alles Öffentliche seinen Sinn haben musste, so eine unsinnige Straßenführung aus, könnte man fragen. Die Antwort ist einfach: Niemand. Die Straße war schon da.
Kaum etwas hält sich so beständig über Jahrhunderte, wie einmal gezogene Grundstücksgrenzen und gewachsene Straßenverläufe. Erst nach den weitflächigen Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und bedingt durch die Neubebauung, bei der auf die privaten Grundbesitzverhältnisse keine Rücksicht genommen wurde, änderte sich dies.
Noch heute bewegt sich der nördlich der Frankfurter Allee verlaufende Weidenweg von Westen auf die Allee zu, um dann an der Löwestraße mit einem Knick von ihr wieder weg auf den Bersarinplatz zuzugehen. Dies ist bereits eine begradigte Variante, denn ursprünglich bildete sie an der nicht mehr bestehenden Insterburger Straße zwischen heutiger Auer- und Löwestraße einen spitzeren Winkel, der fast auf die Frankfurter Allee traf. Das kleine Verbindungsstück zur Allee war die Mögliner Straße.
Der Weidenweg folgte dem Verlauf eines Feldwegs, der außerhalb der alten Akzisemauer aus dem Jahr 1737 entlang der heutigen Friedensstraße vorbei am alten Frankfurter Tor an der heutigen Straße der Pariser Commune in die Frankfurter Linden mündete, wie die Chaussee damals genannt wurde. Wer vom Frankfurter Tor aus direkt nach Lichtenberg wollte, verließ die Frankfurter Linden und begab sich auf einen Feldweg entlang der heutigen Thaer- und Scheffelstraße direkt zur Kirche mit Dorfanger und Gutshaus. Dort, wo sich diese beiden Wege von der Akzisemauer und nach Lichtenberg an der Frankfurter begegneten, entstand später die Mögliner Straße.

Auschnitt aus dem Hobrechtschen Bebauungspan 1866. / Bild: privat /
Auschnitt aus dem Hobrechtschen Bebauungspan 1866.

Aufgenommen in den Bebauungsplan

Nicht immer folgte Hobrechtsche Bebauungsplan von 1866 alten Wegen. So wurde ein direkter Feldweg von der heutigen Ecke Frankfurter Allee/Proskauer Straße zum Lichtenberger Dorfanger nach 1900 überbaut. Im Fall der Mögliner Straße aber war es anders. Wahrscheinlich wären zur Begradigung des Weidenwegs unnötig viele Kosten bei der Enteignung von Grundstücksbesitzern entstanden. Im Hobrechtplan wurden die kurze Verbindung zwischen der direkt nach Lichtenberg führenden Straße und den Frankfurter Linden mit der Bezeichnung Abteilung XIII/2, Nr. 47 versehen.
Der Name Mögliner Straße, den das Straßenstück seit 1883 trug, steht mit der Persönlichkeit in Verbindung, die mit der Thaerstraße geehrt wurde: Albrecht Thaer (1752–1828) war ein preußischer Gelehrter, der die Landwirtschaft reformierte, indem er unter anderem auf wissenschaftliche Erkenntnis beruhende Fruchtfolgen einführte. Er hatte 1805 auf dem Gut Möglin in Märkisch-Odeland eine Landwirtschaftsakademie eingerichtet, wo er seine Erkenntnisse weiter entwickelte und sie an Jüngere weiter gab.
Das Viertel fiel durch die verheerenden Bombenangriffe im Februar 1945 der Zerstörung anheim. In den sinnlosen Endkämpfen der faschistischen Wehrmacht wurde die verbliebene Bausubstanz vernichtet.

Wiederaufbau in der Stalinallee. Die Mögliner Straße auf der nördlichen Seite existiert nicht mehr. / Bild: IRS Berlin /
Wiederaufbau in der Stalinallee. Die Mögliner Straße auf der nördlichen Seite existiert nicht mehr.

Kriegszerstörungen und Wiederaufbau

Der einstige Boulevard des Ostens war ein Ruinenfeld, so weit das Auge reichte. Unter den Trümmern lag auch die Mögliner Straße. Die Grundstücke wurden von Schutt geräumt, doch setzte eine realistische konkrete Aufbauplanung erst zu Beginn der 1950er Jahre mit dem Anspruch ein, alles neu zu errichten. Um die Überlegenheit des sozialistischen Staats zu demonstrieren, entstanden großzügig bemessene Blocks von Arbeiterpalästen quer über gewachsene Grundstücksgrenzen. Anstelle des Trümmerfelds wuchs nun auf mehreren Kilometern eine Straße mit modernen, schicken Wohnhäusern, eine ganze, unzerstörte, hell erleuchtete Einkaufsstraße. Welche deutsche Stadt konnte damals so einen Anblick bieten?

Wo einst die Mögliner Straße einmündete. Etwa der gleiche Standpunkt wie das vorherige Bild. / Foto: privat /
Wo einst die Mögliner Straße einmündete. Etwa der gleiche Standpunkt wie die Postkarte

Die Meinungen über die Häuser der neuen Stalinallee waren geteilt. Kritiker schimpften über die barock anmutenden Fassaden, die einer modernen Gesellschaft nicht anstünden und die enorme Summen verschlangen. Für sehr viele Menschen jedoch waren die Gebäude tatsächlich ein Zeichen dafür, dass es vorwärts ging.
Als die wirtschaftliche Situation bemerkbar besser wurde, besann sich die DDR aus Kostengründen auf schnörkellose Bauweisen.
Dass unter einem neuen, mit großzügigen Grünanlagen ausgestatteten Wohngebiet 1958 die Insterburger und Mögliner Straße vollständig verschwanden, wurde im Streit der Ideologien und Stilrichtungen kaum wahrgenommen.

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