Aufbruch
1928 überlegte Jules Marx, Direktor des erfolgreichen „Scala-Varieté-Theaters“: „In den USA werden rentabel arbeitende Varieté-Theater in dicht besiedelten Stadtgegenden eröffnet. Und in Berlin?“. Er dachte an den alten Bahnhof, für den die Reichsbahn 50.000 RM als jährliche Pacht verlangte und dessen Bau-Substanz gut war. Jules Marx: „Daß die Plaza als jüngstes und größtes Varieté Berlins und Europas auf der Höhe der Zeit stehen wird, ist selbstverständlich“. Für 2 Millionen RM planten die Architekten Alexander Cay und Max Abicht das Gebäude zu einem Varietépalast umzubauen und beschäftigten damit 500 Arbeiter zur Tag- und Nachtzeit. Die Eröffnung war am 1. Februar 1929. Bei Ticketpreisen von 0.50 RM bis 2 RM standen täglich zwei Vorstellungen, an den Wochenenden drei auf dem Spielplan. Aufgelockert vom „Plaza-Ballett“, wurde jede Auftrittsfolge von einem Nummerngirl angekündigt. Weniger glanzvoll allerdings: Jules Marx zeigte sich knickerig. Nicht nur die Architekten kamen mühsam zu ihrem Honorar. Täglich erzielte die Plaza 7.000 RM an Einnahmen und über 200.000 RM im Monat. Der „Scala-Konzern“, dem sechs Theater in Deutschland und eines in Rotterdam angehörten, konnte „große Nummern“ preisgünstig über alle Häuser verteilt auf Tour schicken. Überall war Alfred Kling mit seinen „Wunderschimpansen“ zu sehen, genauso wie der Balljongleur Silvestri, „der alle schwierigen Experimente mit Leichtigkeit ausführte.“ Claire Waldoff „ließ das Publikum mit ihren Zille-Liedern vor Wonne toben“. Diese Auftritte waren für die Sängerin eine unglaubliche Anstrengung. Mikrofone für den 3.000 Personen fassenden Saal gab es noch nicht.
Zäsur
Die Wirtschaftskrise von 1929 setzte der Plaza zu. Kaum jemand hatte Geld „um groß auszugehen“. 1931 wurde das Haus an andere Veranstalter vermietet. Kreditgeber wie die Dresdner Bank drängten auf Rückzahlung, 1932 stiegen die Verluste des Scala-Konzerns auf 330.000 RM. Jules Marx stand wegen seiner waghalsigen Investitionen in der Kritik und war ob seiner jüdischen Herkunft massiven Anfeindungen ausgesetzt. Am 1. April 1933 legte er seine Ämter nieder und ging nach Frankreich. Die artistischen Shows wurden gestrichen und am 1. und am 16. jeden Monats eine neue Operette vorgestellt. Der Spielbetrieb lief an sieben Tagen der Woche, bei täglich zwei, sonntags drei Vorstellungen.
Jede Inszenierung kam auf fast 60.000 Besucher. Die Stars dieser Zeit, wie Lotte Carola oder Heidi Eisler, sind heute vergessen. Im Sommer 1933 übernahm Hanns-Schulz-Derburg, der sich als „reiner Arier zur Führung“ der Plaza empfahl. Er und seine Nachfolger stellten fest: fast 90 % aller Texter und Operetten-Komponisten waren jüdisch. Neben neuen Stücken wie „Das Mädele von Bieberach“, kamen nun Paul Linckes Werke auf die 220 m² große Bühne. Und neue Gesichter, wie Ursula Herking, die nach 1945 zum Kabarett ging. 1940 begrüßte Peter Frankenfeld das Publikum mit den Worten: „Heiterkeit sei Quell des Applauses. Auch ich bin dabei als Sprecher des Hauses“. Der Komiker Karl Napp „redete mit dem harmlosesten Gesicht wie ein Wasserfall“ und war ein Aushängeschild der NSDAP. Insgeheim unterstützte er jüdische Kollegen. Er brachte unter anderem den Theaterdirektor Andre Frank und dessen Frau vor der Gestapo in Sicherheit. Ab 1937 waren wieder Varieté- Aufführungen auf der Plaza-Bühne zu sehen. Bis weit in die Kriegszeit wurden für teure Devisen internationale Artisten engagiert. Im August 1944 stand die junge Brigitte Mira mit Liedern der „Lustigen Witwe“ neben „Caprifischer“ Rudi Schuricke auf der Bühne. In den letzten Kriegstagen wurde die „Plaza“ zur Befehlsstelle und Kaserne der SS. Sowjetische Soldaten besetzten das Haus, wurden von einem SS-Stoßtrupp überrascht, der ein Massaker anrichtete. Infolge dessen brannte die „Plaza“ aus. Der „Plaza-Bunker“ direkt nebenan wurde Heimstätte für Flüchtlinge, dann aber ein Ort der Schwarzhändler. Im „Blauen Saal“, der von der Zerstörung verschont geblieben war, wurden vorübergehend Konzerte und Aufführungen gegeben. 1952 hatte das Gebäude einer neuen Stadt-Planung zu weichen. 1969 wurde hier der Grundstein für das Verlagsgebäude des „Neuen Deutschland“, gelegt.