Spielplatz auf dem Annemirl-Bauer-Platz am Ostkreuz in Berlin | Foto: Dirk Moldt

Vier Friedrichshainer Spielplätze

Gartenarchitekt Erwin Barth | Foto: Johannes Maas
Der Gartenarchitekt Erwin Barth, Gestalter des ersten Boxi-Spielplatzes im Jahr 1910                             / Foto: Johannes Maas /

Architektonische und historische Bezüge.

von Hajo Toppius

Friedrichshain gilt vielen als ein überdimensionaler Spielplatz, gerade in der Wahrnehmung von besorgten Eltern, deren eigentlich erwachsene Kinder einem verbimmelten Lebenstraum nachhängen und sich konsequent weigern, erwachsen zu werden. In Friedrichshain gibt es aber auch eine riesige klassische Spielplatzkultur. Kein Wunder, er ist einer der am dichtesten besiedelten Ortsteile Berlins mit Kindern im spielplatzfähigen Alter. Friedrichshain hat 89 Spielplätze und viele von ihnen haben eine Beziehung zur Stadt und sagen etwas über den Fokus einer Gesellschaft aus. Es gibt noch gar nicht lange Spielplätze, nicht in diesem Umfang und vor allem nicht in Friedrichshain. Die ersten „klassischen“ Spielplätze wurden in den 1920er Jahren durch Erwin Barth eingeführt, die aus Sandflächen und Planschen bestanden. In den 1950er Jahren kamen die Stahlrohrspielgeräte dazu. Die Idee, dass Kinderspiel in einem abgeschlossenen Bereich stattfindet, ist ziemlich jung. Lange Zeit waren Straße und Hof der wichtigste Spielort für Kinder.
Bereits 1790 entstand der erste deutsche Spielplatz in Berlin, noch unter ganz anderen Vorzeichen als heute – nämlich als Dienst am Vaterland als Teil des Königlichen Joachimsthalschen Gymnasiums am Schloss.
König Friedrich Wilhelm II. hatte sich spendabel gezeigt, damit die heranwachsende Staatsjugend des Elitegymnasiums nicht unkontrolliert auf den Straßen herumtollte, und einen Spielplatz gestiftet.
Über dem Eingangstor stand: „Dum ludere videmur, est pro patria.“ – „Während wir zu spielen scheinen, dienen wir dem Vaterland”. Bild und Funktion von Spielplätzen sind heute ganz anders, aber das Prinzip vom Spielplatz als Ort der überwachten Kindererziehung ist in einigen noch existierenden Spielplätzen des Bezirkes zu spüren.

Spielende Kinder an der Weberwiese im Juni 1952| Foto: Kühne
Spielende Kinder auf dem Titelblatt der Berliner Zeitung vor dem Hochhaus an der Weberwiese vom 28. Juni 1952. Kommentar: „Der Sand wird zwar noch für die anliegenden Bauten benötigt, aber bis dahin muß man die Zeit ausnutzen, zumal der geplante Spielplatz natürlich auch erst entstehen kann, wenn die Gebäude fertig sind.“ / Foto: Kühne /

Spielplatz ist ein Platz

Wie ein Relikt aus vergangenen Tagen wirkt der Spielplatz an der Grenze zu Mitte, am Mehlbeerenweg hinter der Schwimmhalle an der Holzmarktstraße. Er ist nur sehr schlicht ausgestattet mit einem Sandkasten und einem Klettergerüst aus Stahl, das gefühlt seit 40 Jahren dort steht. Dieser kleine Spielplatz ist umringt von Hochhäusern. Hier können die Eltern noch ihre Kinder zum Essen rufen oder gucken, was sie dort unten zwischen den Häuser so spielen.
Einem ganz anderen Konzept folgt einer der wohl berühmtesten Spielplätze des Bezirkes: der Drachenspielplatz im Nordkiez. Dessen Entwicklung steht ganz eng in Verbindung mit einer Koryphäe für die Kinder- und Jugendarbeit: Volker Hedemann, der mit seinem Verein Spielwagen e.V. auch für die Bespielung der Plätze im Bezirk mit dem ebenso legendären Spielmobil zuständig ist. In einem langen Prozess voller Entwurfszeichnungen einigte man sich gemeinsam mit Kindern auf den Drachen. Die wilden Zeiten der 90er Jahre standen mit ihrer Idee von Freiheit und Freiraum Pate – eine fast schon sentimental erscheinende Renitenz des Nordkiezes in heutiger Zeit. Wie wichtig so ein Symbol ist, hat 2014 die Nachbarschaftsaktion „Drachenretter“ gezeigt, die dafür gesorgt hat, dass der riesige Spieldrachen erhalten blieb, nachdem bekannt wurde, dass die Füße verfault waren. Im Gegensatz dazu wirkt der neu entstandene S-Bahn-Spielplatz im Südkiez ein bisschen wie Anpassung. Inmitten des Neubauviertels an der Revaler Spitze ist er der Kleinkinderabschnitt eines ganzen Spielplatzkonglomerats am Ostkreuz. Hier werden ganz konkrete Bezüge zum Stadtraum aufgenommen – Zentrum des Spielplatzes ist ein hölzerner S-Bahn-Zug. Die Kinder lernen den Umgang mit Stadt: S-Bahn fahren für die Kleinsten.
Eine andere Art, städtische Bezüge aufzunehmen, zeigt der Spanische Spielplatz in der Simon-Dach-Straße an der Ecke Wühlischstraße. Seit 1995 war hier ein neuer Spielplatz geplant. Allerdings gehörte das Grundstück mittlerweile Spaniern, die auf der Fläche lieber Wohnungen bauen wollten. Dies wurde verhindert, indem das Grundstück 2008 vom Bezirk erworben wurde, unter der Auflage, dass hier ein Spielplatz mit spanischen Bezügen entsteht. So erzählt der Spielplatz, wenn auch nicht direkt, dass der vom Ausverkauf von günstigem Wohnen und Privatisierung öffentlichen Lands hier einmal nicht stattfand.
Passend zum für viele sehr schmerzhaften Phänomen der Gentrifizierung ist, dass die Nutzung des Platzes wegen Planungsfehlern höchst gefährlich war. Das zentrale Element – eine überdimensionale Schlange – wurde aus so rutschigem Material hergestellt, dass sich Kinder und Eltern (der Autor eingeschlossen) bei diversen Stürzen böse blaue Flecken holten. Inzwischen steht ein Stier-Klettergerüst an diesem Ort.

Spielplatz auf dem Annemirl-Bauer-Platz am Ostkreuz in Berlin | Foto: Dirk Moldt
Der Spielplatz auf dem Annemirl-Bauer-Platz am Ostkreuz hat sogar kleine Fontänen. Herrlich an heißen Tagen! In den 1980er Jahren standen hier noch Kriegsruinen. / Foto: Dirk Moldt /

Überall spielen!

Die Eltern sind ein besonderes Phänomen, hier wie auf anderen Spielplätzen. Eine ihrer Hauptbeschäftigung besteht im Warten auf den Zeitpunkt, bis die Kinder fertig gespielt sind.
Dabei hat sich doch gerade das Spielen der Erwachsenen in den letzten Jahren in der Berliner Kultur breitgemacht: wie zum Beispiel an der große Schaukel in der ehemaligen Bar 25 oder im Labyrinth in der Wilden Renate. Insofern wäre es eine gute Idee, auf den Spielplätzen sinnvolle Beschäftigungen auch für Erwachsene einzuführen. Wie wäre es mit Sportgeräten, die für Kinder und Erwachsene gemeinsam nutzbar sind oder mit Spielgeräten, bei denen bestimmte Einstellungen und Erkenntnisse gespeichert werden können, wie etwa auf Wasserspielplätzen oder bei überdimensionalen Musikinstrumenten. Der Landschaftsarchitekt und Spielplatztheoretiker Adriaan Geuze plant weit über die Spielplätze als isolierte Areale hinaus und bringt das Spiel wieder zurück in den öffentlichen Raum: Eine Brücke als Rutsche, Straßenlaternen als Schaukeln oder ein Wald in der Stadt mit Hängematten. Das würde sicher gerade in Friedrichshain mit den vielen spielenden Kindern und verspielten Eltern sehr gut funktionieren. So würde Spiel zu einem Weg, sich die Stadt und den öffentlichen Raum neu anzueignen.

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