Volkskunstzirkelbereich
Ein Digitalisierungsprojekt.
Von
Volkskunstzirkel in der DDR waren beliebt, oft so sehr, dass es schwierig war, Mitglied zu werden. Sie ermöglichten Laienkünstlerinnen und -künstlern, die in unterschiedlichsten Berufen tätig waren, sich künstlerisch auf ganz verschiedenen Gebieten zu betätigen und sich fortzubilden. Ein hochwertiges Freizeitangebot, zumal die großzügige staatliche Förderung den Bestand der Zirkel garantierte. Dazu gehörte unter anderem Raummiete, die Bezahlung von Kunstpädagogen, Material, aber auch Exkursionen mit Sonderurlaub.
Dies war jedoch mit der Erwartung staatlicher Institutionen verbunden, zu bestimmten Anlässen künstlerische Produkte mit eindeutigen Aussagen im Sinne der offiziellen Ideologie und Politik abzuliefern. Das konnte anlässlich von runden Feiertagen geschehen, zu Großveranstaltungen wie Pressefesten oder Jugendfestivals oder konkret 1970 anlässlich des 100. Geburtstags des Revolutionsführers und Diktators W.I. Lenin. Die Künstlerinnen und Künstler schätzten die Zirkel jedoch vornehmlich wegen des ungezwungenen Austauschs und der gegenseitigen Wertschätzung. Laienkunst bedeutete nicht laienhafte Kunst. Neben eher durchschnittlichen Arbeiten entstand auch qualitativ Hochwertiges. Wie in allen staatlichen Einrichtungen galt auch hier der Sozialistische Realismus als künstlerische Leitform, doch wie sie tatsächlich durchgesetzt wurde, hing meistens von den Leiterinnen und Leitern der Zirkel ab.
Was geht ins kollektive Gedächtnis ein?
Die Volkskunstzirkel konnten beides sein: Ausdruck der staatlich festgeschriebenen und über weite Bereiche kontrollierten Kulturpolitik, aber auch Nische, ein Ort der Selbstverwirklichung unter Gleichgesinnten, bei der Politik und Ideologie nicht im Vordergrund standen. Im Gegensatz zu den großen akademischen DDR-Künstlern, die auch Funktionäre im gehobenen Kulturbetrieb waren und Staatspreise entgegennahmen, werden die nicht akademischen Künstlerinnen und Künstler üblicherweise nicht gesammelt. Ihre Werke – darunter wirklich Beachtliches – sind verstreut und fallen irgendwann der Vernichtung anheim, obwohl doch gerade sie dazu geeignet sind, Alltag in der Diktatur darzustellen.
Das FHXB-Museum in der Kreuzberger Adalbertstraße erhielt nun einen Bestand aus dem Studio „Otto Nagel“, und zwar vom langjährigen Leiter Karl-Heinz Klingbeil und dessen Nachfolger Volkmar Götze sowie auch von weiteren ehemaligen Mitgliedern. Der Volkskunstzirkel, einer der profi liertesten in der DDR-Hauptstadt, wurde 1960 gegründet und residierte jahrzehntelang in der Grünberger Straße 60. Der Maler Otto Nagel (1894–1967) hatte dem Zirkel 1965 persönlich seinen Namen verliehen.
Digitalisierung mit Auflagen
Seit zehn Jahren führt die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa mit dem Forschungs- und Digitalisierungsprogramm digiS Digitalisierungsprojekte zur dauerhaften Sicherung des kulturellen Gedächtnisses Berlins durch. 130 sind es inzwischen. Nun wurden auch Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus dem Volkskunstzirkel „Otto Nagel“ für die Digitalisierung ausgewählt. Bedingung der Förderung ist, dass die Bilder durch das Archiv des FHXB-Museums dauerhaft aufzubewahren sind. Am Ende des Projekts sollen die Bilder unter der Adresse www.museum-digital.de frei zugänglich sein.
Was bleibt?
Von den in Ostberlin 1990 bestehenden 230 Volkskunstzirkeln, die oft von kommunalen Einrichtungen, aber auch von Betrieben unterstützt wurden, haben sich nur noch sehr wenige erhalten können, wie zum Beispiel der Kunstverein MAL-HEURE e. V. in der Eckertstraße 16 oder der Keramikzirkel „Kunst & Keramik Berlin Friedrichshain e. V.“ in der Müggelstraße 17. Am 17. November 2022 lud das FHXB-Museum in der Adalbertstraße 6A anlässlich des Digitalisierungsprojekts zu einer Diskussion über Vergangenes, Gegenwärtiges und vielleicht auch Zukünftiges dieser Zirkel ein. Dabei ging es lebhaft und kontrovers zu, gerade bei den heiklen Fragen der Subvention durch den SED-Staat und dessen Erwartungen an die Künstlerinnen und Künstler. Auch über die Hoffnungen der Revolutionszeit und den Schwierigkeiten der Zirkel, als nach 1990 die staatliche Hilfen ausliefen, wurde diskutiert, wobei sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig darin waren, dass die ehemaligen Volkskunstzirkel eine wichtige Rolle im Kulturleben des Bezirks spielen und darum auch unbedingt weiter fortbestehen sollten.