„Geht doch nach drüben…“
Um 1990 standen in Ostberlin ca. 25.000 Wohnungen leer, der Arbeiterbezirk Friedrichshain gehörte dabei zu den Stadtbezirken mit der schlechtesten Bausubstanz. Nach der Maueröffnung sprach sich das natürlich sehr schnell in der Westberliner Hausbesetzer-Szene herum. Allzu oft hatten die politisch Aktiven im Westen sich den Spruch „Geht doch nach drüben, wenn’s euch hier nicht passt!“ anhören müssen, das taten sie dann auch. Ab Frühjahr 1990 gab es eine Welle von Hausbesetzungen in Ostberlin, denn es war sinnvoll, das Ende der Heizperiode abzuwarten, bevor man in ein Haus einzog, in dem die Fenster rott und die Öfen außer Betrieb waren. Im Herbst waren es um die 130 Häuser, an denen Transparente hingen, die wild bemalt oder besprüht wurden, in denen gefeiert und gebaut wurde und – aus Sicht der alteingesessenen Bürger – die merkwürdigsten Gestalten ein und aus gingen.
In der Rigaer Straße wurden bis 1991 zwölf Häuser besetzt, genauso viele in der viel kürzeren Mainzer Straße. Der Sommer 1990 war in vielerlei Hinsicht aufregend: die ehemals unangreifbaren staatlichen Autoritäten der DDR – Partei, Volkspolizei und Stasi – hatten ihre Macht verloren. Aber die DDR existierte noch als Staat. Die erste Euphorie der Wendezeit war verflogen, denn jetzt fing es an mit der Arbeitslosigkeit und Unsicherheit. Die Wohnungen, so wurde deutlich, würden im Osten so günstig nicht bleiben, Alteigentümer meldeten sich, Spekulanten suchten interessante Objekte, die KWVen waren verschuldet und handlungsunfähig.