Stefanie Maerz von der Buchhandlung Libelle| Foto: Giovanni Lo Curto

„Der Laden ändert sich, weil die Bücher sich ändern.“

Stefanie Maerz von der Buchhandlung Libelle | Foto: Giovanni Lo Curto
Wo Hobby und Beruf zusammenfallen, herrscht auch ein gutes Klima. / Foto: Giovanni Lo Curto /

Zu Besuch bei Stefanie Maerz in der Buchhandlung „Libelle“ .

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Bücherläden gibt es viele, manche davon haben sich auf bestimmte Themen spezialisiert und legen Wert auf die entsprechende Kundschaft. Kinderbuchhandlungen trifft man eher selten in Berlin. Doch in der Bänschstraße im Samariterviertel blüht eine seit 13 Jahren. Wie kommt man auf die Idee, einen Kinderbuchladen zu gründen?

Ein Kiezladen

Stefanie, eine sympathische Frau in ihrer Arbeitskleidung – auf ihrer Jacke fliegt eine Libelle – muss nicht lange nachdenken, um die Antwort zu geben. „Es begann mit einem Worst-Case-Szenario. Wir wollten eigentlich einen Spielzeugladen gründen und genau gegenüber wurde ein weiterer Spielzeugladen geplant. Dies erfuhren wir am Tag, an dem Miet- und Kreditvertrag unterschrieben werden sollten. Uns wurde ganz schlecht vor Schreck. Wir gingen hinüber; der Schreck auf der anderen Straßenseite war genauso groß. Wir einigten uns aber schnell und so bekamen wir die ‚Buchhoheit‘ und das Jibboo die ‚Holzhoheit‘. Wir arbeiten bis heute gut zusammen und dies seit 2007.“
Der Start war aufregend aber heikel: Die Verlagsvertreterinnen auf der Leipziger Buchmesse fanden sie sympathisch, waren aber sehr skeptisch. Zu viele Quereinsteiger im Buchsegment endeten bereits kläglich. „Ich glaube, sie gaben uns kein ganzes Jahr.“ Bereits nach zwei Jahren baten jedoch die Vertreterinnen um Beratungstermine. Die Idee, mit einer Freundin einen Spielzeugladen zu eröffnen, hatte die studierte Diplompädagogin schon längere Zeit. „Ich traf auf einer Reise Inga Karbstein, die auch schon mit diesem Gedanken gespielt hatte, und es funkte sofort zwischen uns.“ Innerhalb von drei Monaten brachten sie die Gründungsphase über die Bühne. Nach zehn Jahren kam eine zweite Libelle in Treptow hinzu. Irgendwann erschien es sinnvoll, die Läden separat zu führen. „Anfang dieses Jahres beschlossen wir auch die geschäftliche Trennung, dann kam Corona und so bewältigten wir noch einmal gemeinsam die schwierigen Monate, bevor wir uns auf dem Papier trennten. Die Freundschaft bleibt.“
Keine sorglose Zeit. Am Tag unserer Verabredung steigen die Zahlen der an Corona erkrankten Menschen auf einen neuen Rekord. Wir sprechen mit Masken, das Thema liegt auf der Hand. Stefanie strahlt Zuversicht aus. „Unsere Kunden sind sehr solidarisch mit uns. Ich finde, dass die Krankheit den Kiez noch mehr zusammengeschweißt hat.“
Haben sich die Kinderbücher in den letzten Jahren verändert?
„Die Bücher sind schneller geworden, witziger, lockerer. Bilderbücher aus England zum Beispiel sind toll und haben einen ganz anderen Humor.“ Es gibt gute Reihen, die von den Kindern gern gelesen werden und sie begleiten. „Aber in der Bücherschwemme ist auch viel mit geringerer Qualität dabei.“ Der Grund? „Es geht bei den Verlagen leider auch nach Abverkauf. Erfolg hat, was gekauft wird. Manche als Reihen angelegte Bücher verschwinden, weil sie nicht gekauft werden. Darunter auch gute.“ Dass die Bundeszentrale für politische Bildung ähnlich wie bei Erwachsenenbüchern auch von Kinderbüchern Komplettauflagen herausbringt, ist leider nicht üblich. Doch es gibt Verlage, die die Rechte von alten guten Kinderbüchern aufkaufen, um sie noch einmal herauszubringen. „Ich träume davon, einen Verlag der verlorenen Bücher zu gründen“, gesteht die Buchhändlerin. Aber Verlage sind ein schwieriges Geschäft.

 

Stefanie Maerz von der der Buchhandlung Libelle | Foto: Giovanni Lo Curto
„Mit dem Lesen kommt man kaum hinterher“, so Stefanie Maerz. Aber Spaß macht es trotzdem.
/ Foto: Giovanni Lo Curto /

Auch Erwachsene lieben Kinderbücher

Lesen Mädchen und Jungs unterschiedlich? „Die Frage des Geschlechts ist für Kinder nicht unwichtig. Verlage haben erkannt, dass mit geschlechtsspezifischen Büchern gut verdient werden kann und manche setzen übertrieben auf die typischen Farben für Jungs- und Mädchenbücher. Es gibt aber auch eindeutig den Trend, Jungen und Mädchen zusammen auf dem Cover abzubilden. Und viele Eltern achten darauf, dass sich die Kinder einen kritischen Blick angewöhnen.“ Komischerweise wird eher den Mädchen geraten, vom Rosa wegzukommen, als den Jungen vom Blau. „Schade“, resümiert Stefanie, „stärker wäre es, den Farben weniger Beachtung zu schenken und um ihre Geschichte zu wissen. Rosarot war von jeher die Königsfarbe, die immer den Männern vorbehalten war. Erst durch das Blau der Matrosen wurde ein Paradigmenwechsel der Farben vollzogen. Rosarot steht bekanntlich auch für Kraft und Erfolg, wie im Fall von Trikotfarben beim Fußball nachgewiesen wurde.“
Im Samariterviertel wird sehr viel gelesen. „Obwohl auch viele Jungs lesen, lesen Mädchen eindeutig mehr.“ Es gibt eine Zeit, in der Jungs mehr von den Spielen an Computern angezogen werden. „Beim Buchkauf auf der Leipziger Messe achten wir sehr darauf, was die Kinderjury empfiehlt. Kinder schauen auf Kinderbücher anders als Erwachsene, die mitunter Gefallen an Passagen finden, die bei Kindern überhaupt nicht ankommen. Was Kindern nicht gefällt, das lesen sie auch nicht.“
Anders als in Zeiten meiner Kindheit sind inzwischen auch Comics und Graphic-Novels als richtige Literatur anerkannt. Anerkannt ist auch, dass Kinder mit Comics sehr gut lesen lernen können. Nicht alle Erwachsenen kommen mit dem Lesen und gleichzeitigen Betrachten der Bilder zurande. „Aber wir haben mit meiner Mitarbeiterin Judith eine versierte Comic- Spezialistin, die beratend zur Seite steht.“
Im Gespräch stellen wir lachend fest, dass wir beide unsere Kinder dazu „benutzt“ haben, um in Kinder- und Jugendfilme zu gehen. Allein als Erwachsene haben wir uns nicht getraut. Von Anfang an gibt es in der Libelle auch eine Ecke für Erwachsene, die stetig gewachsen ist. „Im Umsatz rangieren Erwachsenenbücher gleich nach den Bilderbüchern. Es gibt aber auch viele Erwachsene, die sich unglaublich für Bilderbücher begeistern können.“ Interessant ist übrigens, dass Bilderbücher als E-Books die Interaktion des Vorlesens nicht ersetzen können. Hörbücher sind ebenfalls bei Kindern und Jugendlichen gefragt und machen auch schlau. „CDs werden jedoch immer weniger verkauft, weil es viele Hörbücher zum Herunterladen gibt. Aber als Geschenk spielen sie noch eine wichtige Rolle.“ Auf meine Frage, wie sich der Laden im Laufe seines Bestehens geändert hat, antwortet Stefanie salomonisch: „Unser Laden ändert sich, weil sowohl Bücher, als auch Menschen sich ändern.“

 Installation von Sebastian Meschenmoser in der Buchhandlung Libelle | Foto: Giovanni Lo Curto
Normale Geschäfte bieten vor der Kasse ungesunde „Quengelware“ an. Libelle hat stattdessen Kunst. Eine Installation von Sebastian Meschenmoser.
/ Foto: Giovanni Lo Curto /

Was ist eine gute Geschichte?

Im Grunde haben auch Kinderbücher oft ähnliche Geschichten: Eine Reise wird angetreten und man kommt wieder zurück nach Hause oder jemand erfährt eine Kränkung und muss damit zurechtkommen.
„Kinderbücher sollten ein Happy End haben“, meint Stefanie. „Das Gute und Gerechte muss sich durchsetzen.“ Vielleicht haben Kinderbücher deshalb auch für uns Erwachsene eine so starke Anziehung, weil sie ein Sehnsuchtsort sind. Nach einem sehr schönen Gespräch verlasse ich die Libelle mit einem atemberaubend illustrierten Buch über Mäuse auf Entdeckungstour für meine siebenjährige Enkelin. Sie kommt am Wochenende. Aber bis dahin habe ich es mindestens zweimal durchgelesen und die Bilder betrachtet.

www.libelle-fhain.buchhandlung.de

info@libelle-kinderland.de

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