Raketen und Lautsprecher: Agitprop in Friedrichshain von Detlef Krenz | Quelle: Der Arbeiterfotograf 1931

Raketen und Lautsprecher

Raketen und Lautsprecher: Agitprop in Friedrichshain von Detlef Krenz | Quelle: Der Arbeiterfotograf 1930
Das Rote Sprachrohr war auf der Straße, vor den Arbeitsämtern und allen Propagandabühnen aktiv. / Quelle: Der Arbeiterfotograf 1930 /

Praxis

Ständig stießen die Gruppen an die Zensurgrenzen, ihre Auftritte wurden verboten oder massiv behindert. Eine Gegentaktik war, auf der Straße anlässlich einer Demonstration schnell eine improvisierte Bühne aus Stühlen und Brettern aufzubauen, wenige Szenen darzustellen und dann an einer anderen Stelle weiterzuspielen. Abgesehen von der KPD-Kneipe des Oswald Ewest in der Fruchtstraße 36a oder dem Schwarzen Adler in der Frankfurter Allee, wo am 28. Februar 1932 Helene Weigel, Ernst Busch, Hans Eisler, Alexander Granach, Annemarie Haase und Meta Krahn im Rahmen des Roten Kabaretts auftraten, gab es kaum Übungsräume und wenn, dann waren sie verräuchert. Auch fehlte den proletarischen Schauspielern das Geld zum Verzehr. Übrig blieb, sich im Freien zu treffen. Fehlte das Fahrgeld, kamen alle zu Fuß zum Auftritt. Über den Agitpropgruppen lag der Schatten ideologischer Differenzen. Manche wollten sich nicht dem Diktat der unter stalinistischer Anleitung stehenden KPD fügen. Für diese Gruppen hatten Textzeilen wie „Pflanzt eure roten Banner der Arbeit auf jede Rampe, auf jede Fabrik! Dann steigt aus den Trümmern der alten Gesellschaft die sozialistische Weltrepublik!“ einen sehr nachdenklichen Klang.

Verfolgt

1933 gingen Regisseure wie Maxim Vallentin, Gründer des Roten Sprachrohrs oder Gustav von Wangenheim, Gründer der Roten Raketen, in die UdSSR. Die Kolonne Links war seit 1932 dort. Wegen ihrer guten Partei-Werbeaktionen wurden sie 1931 mit einer Reise in die Sowjetunion belohnt. Hier erlebten sie, angesichts der Armut der einfachen Bevölkerung und konfrontiert mit der Rücksichtslosigkeit, wie die Parteifunktionäre ihre Ziele durchsetzten, und damit die sowjetische Wirklichkeit. Man war übelster Propaganda aufgesessen. Die Blauen Blusen hatten eine Liberalität vorgespielt, die im Heimatland unter Verbot stand. Weil die Einreise verweigert wurde, war der Kolonne Links die Rückkehr nach Deutschland unmöglich. Im Februar 1938 wurden sechs Mitglieder erschossen. Der abstruse Vorwurf: Gründung einer Hitler-Jugend! Nach zermürbenden Verhören unterschrieb Gustav von Wangenheim 1936 ein Protokoll, laut dem seine Künstlerfreundin Carola Neher „antisowjetisch eingestellt“ wäre. 1940 starb Frau Neher im Gulag an Typhus. Regisseure wie Gustav von Wangenheim oder Maxim Vallentin, die versuchten, über die Agitpropgruppen die elitären und experimentellen Theaterformen der 1920er Jahre in eine volksnahe Theaterform zu überführen, um über gesellschaftliche Machtverhältnisse aufzuklären, waren in der Sowjetunion gezwungen, einen heroischen Mythos zur Verehrung Stalins zu erschaffen.

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