Allerlei aus der Gubener Straße.
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Ob dreier Morde sollte einem ein kalter Schauer den Rücken herunterlaufen, wenn man die Gubener Straße passiert. Doch der Reihe nach. Ihren Namen trägt die Gubener Straße seit dem 26. März 1874, als „des Kaisers und Königs Majestät der im 44. Polizeirevier gelegenen Straße No. 6, dem sogenannten Wiesenweg, (…) den Namen Gubenerstraße Allergnädigst beizulegen geruht“ haben.
Die Gubener jener Jahre war im Besitz von Privatiers, Kaufleuten und Fabrikanten, die außerhalb des Bezirks wohnten. Am 30. Mai 1884 beschloss der Magistrat, der Firma Alexander Elster für 650.000 Mark ein Grundstück an der Frankfurter Allee Nr. 115 Ecke Gubener Straße 7a/7b aufzukaufen. Ziel: Bau einer Doppelschule, vier Geschosse, eine Turnhalle, dazu ein Lehrerwohngebäude. Dieser Plan wurde bis zum 8. November 1886 ausgeführt. Die Gubener erhielt am 14. Januar 1890 eine neue Nummerierung. Jetzt lag die 119/136. Gemeindeschule an der Hausnummer 51/52. Hier wurde im März 1898 der Kochunterricht für Mädchen eingeführt und das Schulgelände nicht nur um ein Kochschulgebäude erweitert sondern auch zur „V. Fortbildungsschule für Mädchen“. Heute bedeckt das „Gewerbezentrum Comeniushof“ die ehemalige Fläche.
Wühler im Ostkamp
Paul Hoffmann war Landtagsabgeordneter der KPD und führte das „Ostkamp“, eine Arbeiterkneipe an der Gubener Straße 5. Hier gründete Ludwig Renn 1930 die Agitpropgruppe „Die Wühler“, die Lastwagen als Bühne einsetzte, um landlose Bauern zu agitieren.
Genau vor dem „Ostkamp“ erschoss Oberwachtmeister Otto Heise am 28. Januar 1928 den 19-jährigen Jungkommunisten Herbert Neumann während einer Auseinandersetzung. Zwar wurde überliefert, dass der Polizist SPD-Mitglied war, doch der Grund des Konflikts geriet in Vergessenheit.
Mord für Lebensmittelkarten
Eduard Borowski, ehemaliger Bannführer der HJ, blickte sorgenvoll in die Zukunft. Um sich Klarheit zu verschaffen, ging er mit seinem Kumpel Kurt Karras am 13. Februar 1947 in die Gubener 29. Dort lebte die 71-jährige Elisabeth Schulz mit ihrer Tochter. Sie konnte als „Medium“ die Zukunft aus Karten lesen. Zwar sicherte der Schwarze Markt am Schlesischen Tor Borowski ein mageres Überleben, doch als er in der Küche von Frau Schulz Lebensmittelkarten sah, griff er zu. Sie schrie auf. Karras schlug mit einem Stein auf sie ein, Borowski zog eine elektrische Zuleitungsschnur um ihren Hals zusammen. Dann griffen die Täter nach allem, was sie brauchen konnten, so auch eine Mandoline, und flüchteten. Schwerverletzt gab Frau Schulz der Polizei eine Beschreibung der Täter ab. Die arbeitsüberlasteten Beamten gingen den Hinweisen zunächst nicht nach. Vier Wochen nach der Tat starb Frau Schulz an ihren Verletzungen. Monate später verkaufte Borowski die Mandoline an einen Beamten in Zivil, der das Instrument erkannte. Wegen diesem und weiterer Morde wurde Borowski zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt.
Einwandfreies Vorleben
Viele Jahre stand die 74-jährige Susanne Jaschinski in ihrem Seifenladen in der Gubener Straße 44, so auch am 25. Februar 1965. Es war schon 19 Uhr, als die 27-Jährige Waltraud Handke den Laden betrat. Frau Jaschinski kannte sie gut und mochte sie, Handke war für ihren Fleiß und Einsatz bei Nachbarn und Kollegen beliebt. Auch sah sie ganz hübsch aus. Man munkelte aber einiges. Waltraud Handke war geschieden. Sie hatte einen netten Mann geheiratet, nur war ihr der zu „langweilig“ geworden, weshalb sie „flügge“ wurde und viel Geld in Kosmetika und Kleidung investierte. Die lebenserfahrende Frau Jaschinski hatte Verständnis und ihr schon mal 70 Mark geborgt, wenn es für Waltraud eng wurde. Waltraud gab an diesem späten Abend vor, nur noch schnell was kaufen zu wollen. Als sie jedoch im Laden hinter Frau Jaschinski stand, zog sie einen scharfkantigen Feldspaten aus dem Einkaufsbeutel und schlug ihn mit voller Wucht auf den Kopf der alten Frau, immer wieder und wieder. Sie blieb kühl und überlegt, selbst als das Opfer noch einmal zu Bewusstsein kam und um sein Leben bettelte.
50 Schläge zählte die Mordkommission später und tappte zunächst im Dunkeln. Einziger Hinweis waren blaue Lacksplitter. 230 Mark fand Waltraud Handke in der Ladenkasse, beglich damit ihre Schulden und ging unauffällig ihrer Arbeit nach, bis durch Zufall einem Nachbarn ihr Feldspaten mit der blauen Lackierung auffiel. Der Strafsenat 2a des Berliner Stadtgerichts verurteilte Waltraud Handke „wegen Mordes, aus Habgier und heimtückisch begangen“, zum Tode. Weil „jedoch die junge Frau bis zum Tattag ein einwandfreies Leben geführt hatte und als sehr hilfsbereite und fleißige Arbeiterin bekannt war“, wurde dieses Urteil im November 1965 aufgehoben und in ein „lebenslänglich Zuchthaus“ umgewandelt.
Anspruchsvolle Putzstruktur
Im August 1976 wurde das Haus Gubener Straße 31 abgerissen. Um das Angebot des täglichen Bedarfs zu erweitern, entstand dort eine Kaufhalle. Weil diese an der „Protokollstrecke im Abschnitt der Warschauer Straße liegt“, sollte der benachbarte Giebel mit einer „anspruchsvollen Putzstruktur“ verschönt werden, hieß es in der Baubeschreibung. Mauerhochbeete, Zier- und Deckensträucher, Nadelgehölze, immergrüne Sträucher, Strauchrosen und transportable Rundbänke für geplante Bäume an der Kaufhalle waren vorgesehen. Realisiert wurden im September 1979 die Wandflächen mit sandgelben Plastputz, weißen Isocolor-Lamellen, die Attika in gelborange und alle Rahmen und Stützen in dunkelbraun. Diese Gestaltung ist längst verschwunden. 1990 ging die Kaufhalle an Kaisers und ist heute wegen der 24-stündigen Öffnungszeit ein Treffpunkt vieler Verbraucher.