Das Andreasgymnasium.
Von
Gustav Markwald verlangte 150.000 Mark für einige Häuser zwischen zwei schmalen Straßen. Dem Stadtverordneten Rasmlau waren diese 4.420 Quadratmeter zu teuer. Nur, der kleinen 34. Gemeindeschule in der Langestraße 76 fehlte eine Turnhalle. Dagegen war auf den Grundstücken Andreasstraße 16a und Koppenstraße 75a Raum für ein Doppelschulgebäude mit Turnhalle. Am 8. April 1880 erging der Baubeschluss. Für Mädchen sollte der Eingang zur neuen Schule von der Andreasstraße zugänglich sein und für Jungen von der Koppenstraße. 16 Klassenzimmer jeweils für Mädchen und Jungen waren in der Planung, plus einem Raum zum Waschen und einer „Plättstube“ für die Mädchen. Sie durften im Hause aufs Klo gehen, die Jungen in ein „besonderes Gebäude“ auf dem Hof. Im Februar 1881 lagen die Baukosten bei 338.200 Mark. Eine geplante Eingliederung des Standesamtes war damit vom Tisch. Das damalige Standesamt lag in der Krautstraße „dicht neben“ einem Sargmagazin und allerlei „Lokalitäten unwürdig bis zur Grenze des Möglichen“. Am 24. Oktober 1882 wurde die „125. Gemeindeschule Andreasstraße 16a“ eingeweiht und zur „vierten höheren Bürgerschule“ am 14. August 1887 erweitert.
Unbekannt eingeliefert
Im März 1919 tobte in der Andreasstraße und ihrer Umgebung der Bürgerkrieg. Unter der Führung des späteren SS-Obergruppenführers Wilhelm Reinhard ging das gleichnamige Freicorps mit äußerster Brutalität gegen die Bewohner des Viertels vor, Revolutionäre und solche, die sie dafür hielten. Am 10. März wurde das Andreasgymnasium von der Reinhardtruppe besetzt. Willkürliche Verhaftungen folgten. Drei junge Männer: Kurt Friedrich, Hans Galuska und Otto Werners wurden in die Schule geführt. Die befehlshabenden Offiziere reagierten weder auf Bitten oder Argumente der Familienangehörigen. Am 12. März erfuhr die Mutter vom Kurt Friedrich, die drei Freunde lägen „unbekannt“ eingeliefert im Leichenschauhaus. Kurt war an Kopf- und Hüftschüssen gestorben, durch Schüsse aus nächster Nähe war Otto Werners Gesicht zerfetzt worden und Hans Galuska hatte neben Schusswunden auch Verletzungen durch Schläge. Allen dreien fehlten Schuhe, Jacken, Hüte. Wieland Herzfelde, der ähnlichem Terror im Zellengefängnis Moabit entkommen, war, sagte später: „die Misshandlungen der Gefangenen vom Ins-Gesicht-Spucken bis zum An-die-Wand-Stellen und Totschlagen sind so allgemein, die Quälerei in Gegenwart der Offiziere so selbstverständlich, daß ein einstudiertes Lynchen mit Instruktionsstunde, fast vernünftig scheint.“
Herr Krüger
Mit Überschriften wie „Herr Krüger ist ein Prügelheld”, machten sich „rote“ Schulzeitungen unbeliebt, wenn sie schrieben: „mit der Prügelstrafe will man uns zu Knechten erziehen“. Als 1930 die Schulzeitung „Andreasschüler” verteilt wurde, nahm die Polizei den Verteiler fest. In eine Zelle gesperrt, schlug der Verteiler vom „Andreasschüler” mit Fäusten gegen die eiserne Tür. Seine Freunde standen vor der Wache. Die Polizeiwache lag in einem Wohnhaus der Andreasstraße. Aufgeschreckt vom Lärm gingen die Hausbewohner auf die Straße und Passanten blieben stehen. Als sie erfuhren was geschehen war, kam es zum Protest gegen die Polizei, bis sie den jungen Mann wieder frei ließ.
Lehrer Schmerse
Am Andreasgymnasium war auch nach 1933 etwas vom Widerstandsgeist gegen Gewalt und Bevormundung übrig geblieben. Am 6. Februar 1936 sollten die Schüler in der zweiten Deutschstunde der Sexta 1 einen Aufsatz zum NS-Feiertag, dem 30. Januar, schreiben. Lehrer Schmerse lobte nur einen Text, den Schüler Meller vorlesen durfte. Es ging um zwei italienische Jungen, die den 30. Januar 1933 miterlebt hatten. Das besondere: Schüler Meller war von „mosaischer Religion“. Am nächsten Tag malte jemand eine Karikatur von Meller an die Tafel. Lehrer Schmerse drohte mit einer Stunde Arrest. Daraufhin entschuldigten sich die Urheber. 28 jüdische Schüler, davon 25 aus Friedrichshain, mussten bis 1937 das Gymnasium verlassen. So Heinz Birnbaum, der von Ostern 1930 bis zum 28. September 1933 am „Andreas“ gelernt hatte. Am 4. März 1943 wurde er als Mitglied der Herbert-Baum-Gruppe in Plötzensee hingerichtet.
Schulspeisung
1947 lag der Tagessatz für „die am Andreas“ bei 10 Gramm Trockenmagermilch, 13 Gramm Weizenvollkornmehl, 11 Gramm Marmelade, 3 Gramm Zucker, 41 Gramm Nährmittel, 2 Gramm Fett und 75,5 Gramm Gemüse. Als Ersatz für Kartoffeln kamen abgelagerte braune Bohnen in den Topf. Salzgemüse lieferte Firma Hermann Junker in der Fruchtstraße 59. Meistens ungewaschen klebten oft alte Blätter oder Erde an den Möhren. Der Zucker war beim Anliefern feucht und die Trockenmilch schmeckte sauer.
Neuer Name
Das Wehrkreiskommando Friedrichshain organisierte im Mai 1969 mit der „Arbeitsgruppe Sozialistische Wehrerziehung“ am „Andreas“ eine Exkursion zu Truppenteilen der NVA. Dabei durften sich die Jungen der zehnten bis zwölften Klassen im Gefechtsschießen üben. Am 28. November 1972 trat das 35. NVA-Grenzregiment mit allen 456 Schülern zum Appell an. FDJler der elften und zwölften Klassen lasen aus Aufsätzen zum Thema: „Friedrich Engels, ein Militärtheoretiker“ vor. Anlass war die Namensverleihung in „Friedrich-Engels-Oberschule“.
Unebenheiten
Heute gehört das „Andreas“ nicht nur in der unmittelbaren Umgebung zu den gefragten Schulen. Allerdings, jahrelang war Schimmel allgegenwärtig. Wasser stand im Keller und wurde ständig abgepumpt. Regenwasser drang durch das undichte Dach bis in die Klassenräume. Damit sie nicht aus den Rahmen fielen, mussten etliche der maroden Fenster zugenagelt werden. Staub wehte vom ungepflegten sandigen Schulhof in die Klassenzimmer. Über 400.000 € kostete die Sanierung der Schule. Am Andreasplatz warten mittlerweile schicke Wohnungen auf Eigentümer. Rücksichtslos achteten die Architekten der Wohnungen nicht auf die Gebäude des Andreasgymnasiums. Dort kommt es jetzt im Südflügel zu Rissen im Fußboden, den Decken und Wänden.