Das Regenbogenhaus 2016. / Foto: Anne Winkler /

Freiraum für Kinder

Haus der Jungen Pioniere, 1982 / Foto: Fritz Wollenberg /
Haus der Jungen Pioniere, 1982 / Foto: Fritz Wollenberg /

Das Regenbogenhaus in der Kadiner Straße

von Anne Winkler und Natalie Prinz

Kaum vorstellbar, dass dieses lichtdurchflutete und außen wie innen bunte Haus einmal ein grauer Kasten war. Mit „ganz schrecklicher Tapete“ und dunklen Räumen, die eingerichtet waren wie Klassenzimmer. So erinnert sich Thomas Heppener an das Gebäude. Als Schüler hatte er in den 70er Jahren die Arbeitsgemeinschaft Mathematik in der Freizeiteinrichtung für sich entdeckt. Heute ist Heppener Leiter des Referats „Demokratie und Vielfalt“ im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Was eine schöne Anekdote ist, weil es so gut zum Selbstverständnis des Regenbogenhauses passt.

Grundsteinlegung

1959 war Grundsteinlegung für das zweigeschossige Gebäude in der ruhigen Kadiner Straße, die etwas versteckt hinter der westlichen Seite des Frankfurter Tors liegt und von der Grünberger Straße abgeht. Die Schüler der Berufsschule für Bauwesen aus der Straßmannstraße hatten es als Prüfungsaufgabe entworfen und die Pläne angefertigt. In den Sommerferien wurde dann der erste Spatenstich gesetzt. Im Erdgeschoß zog nach Fertigstellung der Hort für 165 Kinder der benachbarten Oberschule ein und im 1. Stock eine Schule für 75 körperbehinderte Kinder – aus heutiger Sicht eine absurde Raumverteilung, denkt man an das Stichwort ‚barrierefrei‘. Im Keller wurden zudem Freizeiträume eingerichtet. In denen gab es dann unter anderem auch mal Disco. ‚Haus der Jungen Pioniere‘ hieß die Einrichtung damals noch.

Das Regenbogenhaus 2012. / Foto: Natalia Glowinska/
Das Regenbogenhaus 2012. / Foto: Natalia Glowinska/

Trennung von Schule und Freizeit

„Die Entstehung des Hauses ging auf die Initiative von Eltern zurück.“, berichtet Fritz Wollenberg, der 35 Jahre als pädagogischer Mitarbeiter im Haus gearbeitet hat. Wollenberg ist Ur-Friedrichshainer, geboren in der Samariterstraße und so eng verbunden mit dem Haus, dass er seit seiner Pensionierung als Honorarkraft weiter mitarbeitet. Ein eher ruhiger Mann, dessen Augen zu strahlen beginnen, wenn er über die Geschichte des Regenbogenhauses spricht: „Nach der Wende standen die Menschen wegen der Disco hier auf einmal Schlange vorm Haus, die Straße runter. Auch so Leute, von denen man nicht wusste ‚Was wollen die eigentlich?‘. Da hat man sich nach Feierabend, wenn man dann vorne die Tür abgeschlossen hat, schon mal größer gemacht als man eigentlich ist.“, erzählt er lachend.
Heute wird im Keller hauptsächlich getöpfert und mit Holz gearbeitet. Dort finden sich entsprechende Werkstätten. Und die Förderschule aus dem 1. Stock ist schon lange umgezogen. Dafür ist 2001 PHANTALISA eingezogen, ein Schutzraum für Mädchen und junge Frauen zwischen 10 und 21 Jahren, der jetzt im Mai sein 25-jähriges Bestehen feiert. Das Erdgeschoss und der Keller des Regenbogenhauses ist ganz das Reich von Jungen und Mädchen zwischen 6 und 14 Jahren.
Dabei sollte das ‚Pionierhaus‘ eigentlich 1991 geschlossen und zur Schule umfunktioniert werden. Doch da kannten die politisch Verantwortlichen ihre Friedrichshainer schlecht. Es gab Widerstand, eine Demonstration wurde organisiert. Schließlich entschied die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) das Haus zu erhalten. Natürlich nicht, ohne den Rotstift anzusetzen. Mit dem Beschluss zur Nutzung als Freizeithaus war es an der Zeit für einen richtigen Namen: Aus den Entwürfen und Vorschlägen der Kinder wurde schließlich der Name „Regenbogenhaus“ gewählt.

Sehr beliebt: Eine Runde Kicker oder Billard im Regenbogenhaus spielen. / Fotos: Anne Winkler/
Sehr beliebt: Eine Runde Kicker oder Billard spielen.
/ Fotos: Anne Winkler/

Entscheidungsmacht für Kinder

Mitbestimmung wird groß geschrieben im Regenbogenhaus, das 2010 von einem freien Träger, dem FiPP e.V. übernommen wurde. Seit Juli 2010 ist Annett Hauf Leiterin des Hauses, mit ihr arbeiten sechs festangestellte Sozialpädagogen und Erzieher; dazu kommen noch Honorarkräfte und Praktikanten und auch Eltern engagieren sich. Frau Hauf betont, wie wichtig es ist, dass die Kinder, die ins Haus kommen, sagen können, was sie sich wünschen, dass sie lernen, was Mitspracherecht bedeutet und was es heißt, Entscheidungen zu treffen – und dass diese Bedürfnisse dann auch umgesetzt werden. In regelmäßigen Konferenzen wird mit den Kindern nach dem Mehrheitsprinzip abgestimmt. Ein elternfreier Tag war zum Beispiel so ein Wunsch. Jetzt müssen Eltern freitags draußen bleiben.

Das Regenbogenhaus 2005. / Foto: Fritz Wollenberg/
Das Regenbogenhaus 2005. / Foto: Fritz Wollenberg/

Ein Ort der Vielfalt

Die Metamorphose vom dunklen Kasten zum bunten Haus fand in den Jahren 2005 bis 2008 statt. Drei Jahre Umbau und dabei nicht einen Tag geschlossen! Das Haus bekam seinen leuchtenden Anstrich, Wände wurden niedergerissen und zusätzliche Fenster in die Fassade und zum Flur eingefügt. Das Ergebnis sind transparente Räumlichkeiten, in denen man sich sofort wohl fühlt. Im Erdgeschoß gibt es unter anderem ein großräumiges Familiencafé mit angrenzendem Spielraum für die kleineren Kinder, einen Kicker, einen modernen Medien- und einen ruhigen Leseraum. Und einen sehr schönen, großen Garten, in dem auch eine Kletterwand steht. Von Pädagogen und Kindern selbst gebaut, versteht sich. An regnerischen Tagen können Kinder sich im Sportraum austoben. Oder eins der vielen Angebote nutzen: Siebdruck, Aikido oder Sing Star & Yu-Gi-Oh-Turnier zum Beispiel. Eine lange Tradition haben auch die Stadtspiele des Kiez-Klubs. Da geht es raus auf Entdeckungstour. In Stralau gilt es, der alten Wendenburg ihr Geheimnis zu entlocken, zwischen Ostbahnhof und Karl-Marx-Allee folgen die Kinder Zilles Spuren und auf der Mittelaltertour rund um das Nikolaiviertel muss man sich entscheiden, ob lieber dem Kurfürsten Joachim oder dem Räuber Hans Kohlhase geholfen werden soll.

Musikraum im Regenbogenhaus. / Fotos: Anne Winkler/
Auch Musikinstrumente kann man erlernen.
/ Fotos: Anne Winkler/

Was wünscht sich Frau Hauf für die Zukunft des Regenbogenhauses? „Standort erhalten!“, ist die schnelle Antwort. Dass so tolle und notwendige Einrichtungen wie das Regenbogenhaus immer wieder mit dem Damoklesschwert der Schließung leben müssen, ist bitter. 2014 hat das Regenbogenhaus sich an einer erfolgreichen Kampagne für eine sichere Finanzierung der Jugendarbeit beteiligt. „Es sind Tippelschritte“, sagt Annett Hauf herausfordernd, „aber wir werden notfalls kämpfen, um diese Begegnungsstätte noch lange zu erhalten.“

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