1861 endete die Fernstrecke Königsberg–Berlin an einem hölzernen Einweg-Bahnhof.
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„Wir erscheinen als Sendboten der Kommunal-Behörden, wie der gesammten Bürgerschaft und Bevölkerung Berlins an den Grenzmarken des städtischen Weichbildes.“ Mit diesen geradezu mittelalterlich anmutenden Worten empfing Bürgermeister Heinrich Philipp Hedemann am Vormittag des 22. Oktobers 1861 König Wilhelm I. und Königin Augusta bei ihrer Ankunft vor Berlin an der Frankfurter Chaussee. Die Leitung des Ehrenzugs entlang eines Spaliers der Berliner Zünfte bis zum Frankfurter Tor, das damals noch einige hundert Meter westlich lag, übernahm Obermeister Engert, Leiter der Schlächter-Innung.
Mittelalterliches und Modernes
An der einstigen mittelalterlichen Grenze der Berliner Feldmark verläuft heute die Thaerstaße. Diese reichte bis in die 1950er Jahre an die Frankfurter Allee heran. Ihr gegenüber zweigte damals noch die Boxhagener Straße ab (1861 Boxhagener Weg genannt). Genau hier sollte der am 18. Oktober 1867 in Königsberg gekrönte König von den Berlinern empfangen werden, an der uralten Grenzmark vor den Toren der Stadt. Die Berliner Oberen gewährten dem Landesherrn einen Imbiss und begleiteten ihn durch das Tor in die Stadt hinein, wo ihm ein fürstlicher Empfang bereitet wurde. Es war eine Demonstration städtischer Macht mit Gebräuchen, wie sie in der Zeit des Mittelalters gepflegt wurden, als die Städte wirtschaftlich und politisch enorm stark waren. Aber es war auch eine Demonstration des guten Willens. Der König hätte verfügen können, mit dem Zug direkt bis zum Frankfurter Bahnhof – heute Ostbahnhof – durchzufahren, der seit 1842 innerhalb der Berliner Stadtgrenze bestand. Weil der König auf Tradition setzte, ließ er die Berliner in ihrem Eifer gern gewähren – was für ein König, der sich nicht gern bejubeln lässt. Dass die ganze Show gelingen konnte, hing unter anderem mit dem Mut der politisch Verantwortlichen zum Provisorium, der Begeisterung der Berliner für das Königtum, einer effizienten Verwaltung und der Leistungsfähigkeit des preußischen Eisenbahnbaus zusammen.
Ein neues Gleis ab Rummelsburg
Zwei dicke Ordner halten die Planungen zur „Einholung der Majestäten“ oder „Einzugsfeier“ – so die offizielle Bezeichnung, fest. Bereits im Juni beriet eine eigens eingerichtete Deputiertenkommission. Sowohl am Alexanderplatz als auch vor dem Schloss war je ein Festplatz mit Ehrentor und Tribünen vorgesehen. Offen blieb noch, ob es Ehrentor und Tribünen vor dem Frankfurter oder vor dem Königstor, durch das bisher immer die Könige in die Stadt geritten kamen, geben solle. Am 28. August fiel die Entscheidung, den Souverän vor dem Frankfurter Tor zu begrüßen. Es blieben keine zwei Monate Zeit, um vom Bahnhof Rummelsburg aus einen Schienenstrang zur Frankfurter Chaussee zu legen, ihn sicherheitstechnisch prüfen zu lassen sowie um das Empfangsgebäude zu errichten. Die Eigentümer der Boxhagener Äcker wie auch Pächter stellten die Grundstücke für den Bahnbau unentgeltlich zur Verfügung und ließen sogar auf eigene Kosten Sand für den Bahndamm heranfahren und aufhäufen. Zum Teil dieselben Bürger, die noch 1848 gegen die Truppen des sogenannten Kartätschenprinzen Barrikaden errichteten, hießen denselben nun begeistert willkommen – ein Phänomen, über das sich nicht nur Historiker wundern. In nicht einmal 14 Tagen waren Schwellen und Gleis verlegt. Mehrere Probefahrten mit der Bahn waren erfolgreich.
Der große Tag
Am 12. Oktober kam es zu einem Zwischenfall. Bis abends um sechs waren die Zimmerleute mit ihren Arbeiten am Bahnhofsgebäude beschäftigt, die Tapezierer arbeiteten noch bis Mitternacht. Um sechs hatte eine Militärwache das Gebäude bezogen. In einem Rapport hieß es, daß gegen zehn Uhr nachts eine Schlägerei im Bierhaus Wattelt neben dem Empfangsgebäude losging, die sich auf der Chaussee fortsetzte. Der Leiter der Wache fürchtete eine Beschädigung des neuen Gebäudes und „verwies beide deshalb zur Ruhe“. Dann aber war es so weit. Die 2.200-Meter- Strecke von Rummelsburg zur Frankfurter Chaussee bewältigte der Zug in gemächlichen zwöf Minuten. Um 11:35 Uhr fuhr er ein. Das Herrscherpaar in Begleitung des Kronprinzen und der Kronprinzessin wurde in Empfang genommen. Eine Beschreibung des Bahnhofs liefert ein von der Hofdruckerei 1873 herausgegebener Prachtband: Der Bahnsteig hatte „Blumengirlanden, Myrten- und Orangenbäumen, eine hoch gewölbte, offene Halle, welche die Inschrift trug: ‚Willkommen dem gekrönten Königspaare‘“. Aus dieser Halle gelangte man in den Hauptsalon, „überwölbt mit einer blauen, mit goldenen Sternen versehenen Kassettendecke. Am Friese glänzten die Wappenschilde der einzelenen Provinzen und Städte des Landes, […]. Den Hintergrund zierte die lebensgroße Statue der Rauchschen Victoria“. Neben diesem Salon befanden sich „besondere, elegant ausgestattete, durch Oberlicht erhellte Toilettengemächer […]. Die äußere Bekleidung der Wände des mit städtischen Wappen und einem reichen Schmuck Preußischer, Weimarischer und Berliner Fahnen gezierten Baues war rot und grün mit Einfassung von Goldleisten. Auf der obersten Höhe der Kuppel breitete ein mächtiger goldner Adler seine Schwingen aus“. Nachdem sich das Königspaar seiner Reisebekleidung entledigt und die Insignien seiner Königswürde angelegt hatte, konnte der große Empfang vollzogen werden. Die ganze Stadt schien aus dem Häuschen zu sein. Die Empfangshalle – von vornherein für den einmaligen Gebrauch geplant, wurde bald verkauft und abgerissen, der Schienenstrang zurückgebaut.
Vielen Dank für diesen anschaulichen Bericht, der dieses Ereignis, das an Kuriosität nichts zu wünschen übrig lässt, der Vergessenheit entreißt.
Gerade wegen der geplanten Verlegung der Tramlinie M21 weg von der Boxhagener Straße ist die Erinnerung an dieses historische Ereignis von besonderer Bedeutung, zumal es sich zum 160. Male jährt.
Wer heutzutage mit der Tram M21 fährt, kann ein Stück der Krönungsbahnfahrt hoffentlich auch in Zukunft nachempfinden.