Betonmischer in de Lichtenberger Straße | Quelle: Bundesarchiv Bild 183-15317-0001

Dynamik

Tor zur Lichtenberger Strasse | Quelle: D.Krenz
Tor zur Lichtenberger Straße / Quelle: D. Krenz /

Die Lichtenberger Straße.

Von

Am 11. Februar 1892 löschte die Feuerwehr einen Brand in der Lichtenberger Straße 12. Nur vom Treppenhaus aus war die Toilette zu erreichen. Es gab weder ein Fenster noch eine Beleuchtung. Dort hatte jemand eine flackernde Kerze stehengelassen. Ein Windstoß ließ die Flamme auflodern. Ein Tuch hing über der Tür, fing Feuer, fiel auf die Dielen und Minuten später Drang Qualm aus dem Klo ins Treppenhaus. Zur Beruhigung des Schlächtermeisters Carl Hinz, dem das Haus gehörte, ließ sich das Feuer schnell löschen, denn seine Geschäfte liefen mäßig. Immerhin, fast 20 Jahre später konnte er die Schaufenster seines Ladens vergrößern lassen.

Wandelungen

Die Lichtenberger Straße war eine freudlose Gasse in einer Gegend, in der Höfe schmale Kamine und Straßen Schluchten waren. Gutes sollte deshalb im Berliner Gesellschaftshaus in der Lichtenberger Straße 16 geschehen. Das Gesellschaftshaus war im Ersten Weltkrieg ein Hilfslazarett und eine Kaserne. Im Mai 1920 wollte Max Stein einen Neuanfang setzen. Er schrieb an das Bauamt: „Der Saal wird lediglich zur Abhaltung von Vereinsfeierlichkeiten benötigt.“ Das Amt mahnte: „Vom Saal aus ist je eine Toilette im Treppenhaus für Männer und eine für Frauen zu erreichen. Diese Toiletten besitzen weder ein Fenster noch eine Ablüftung. Die Ausdünstungen breiten sich vom Treppenhaus insbesondere in den Tanzsaal aus.“ Um 100 Kilo Kalk für den Umbau zu bekommen, trickste Max die strengen Beschränkungen für Baumaterialien aus. Allerdings, seine Mühen waren vergeblich, die Theater- und Tanzveranstaltungen brachten kaum Gewinne ein. Nur am Wochenende kamen genügend Besucher. 1922 ließ er den Saal zum Kino umbauen. In den Pausen war Kabarett zu sehen, was ihm am 26. April 1926 verboten wurde. Entmutig verkaufte Max das Kino 1928 an Mary Jacobi, die ihn um 300 Mark Kaution betrog. Ob als Marwi- Lichtspiele, als Mercedes-Film- Bühne oder „Capitol-Film- Bühne, stets fehlten Besucher.

Verwandlung

Nachdem Bomben und Brände schwere Lücken schlugen, trat hier, wo einst Unruhe und Hast Lebenselement waren, die Totenstille ein. Aber diese chaotische Stein- und Schuttwüste sollte zu neuem Leben erweckt werden. Diese kleine Lichtenberger Straße, die sich seit 1874 zwischen der Palisaden- bis zur Landsberger Straße erstreckte, sollte Teil einer breiten Magistrale werden, um die Landsberger mit der Holzmarktstraße zu verbinden. Dafür wurden in der nahen Weberstraße Trümmer weggeräumt. 1851 lebten hier 77 Weber und 48 Seidenwirker. Sie bleichten Wäsche auf der nahen „saubersten Wiese vor der Stadt“. 1848 wurden neben ihren ein- und zweistöckigen Häusern vier dreistöckige Wohngebäude gebaut. Sie waren die Vorläufer der künftigen Mietskasernen des Berliner Ostens.

Lichtenberger Straße (Rückseite) | Quelle: D. Krenz
Fenster und Balkone im gleichmäßigen Rhythmus / Quelle: D. Krenz /
Planungsteam „Stadt von Morgen“ | Quelle: Bundesarchiv Bild 183-14548-0002
Stadtplaner in enger Zusammenarbeit mit den Erbauern einer „Stadt von Morgen“. / Quelle: Bundesarchiv Bild 183-14548-0002 /
Baustelle um die St. Markuskirche | Quelle: Bundesarchiv Bild 183-15918-0003
Blick auf die Baustelle Weberstrasse, Lichtenberger Straße und St. Markuskirche / Quelle: Bundesarchiv Bild 183-15918-0003 /

Tatkräftig

Im Gegensatz zur Lichtenberger Straße, wo Ruinen die Ränder säumten, überstanden etliche Häuser der Weberstraße den Bombenkrieg. Kleine Werkstätten nahmen hier ihre Arbeit auf, während man in der Lichtenberger Straße Baugruben aushob und Trümmer wegräumte. Doch mit den „Relikten des alten Lebens, in dem vielköpfige Familien in Miniaturwohnungen hausten, in dunklen, verräucherten, wie verkommenen Fabriksälen der Hinterhäuser arbeiteten und ihre Vergnügungen in Bars, Billardsälen oder anderen fragwürdigen Etablissements suchten“, sollte es vorbei sein. Am 3. Januar 1952 wurden Transparente entrollt, auf denen „Lieber 1000 Tropfen Schweiß als einen Tropfen Blut vergießen. Baut mit!“ zu lesen war. Musikkapellen marschierten auf und Arbeiter und Angestellte des VEB Elektrokohle stelllten sich auf. In der Weberstraße ging das Amt für Information daran, Trümmer wegzuräumen. Ein Journalist sah, wie ein „Herr im blauen Regenmantel“ dem Chefagitator der SED, Albert Norden, einen „Riesenziegel“ übergab und dazu sagte: „Die dicksten Brocken für Albert Norden!“ Noch stand einer künftigen Magistralenplanung die St. Markuskirche im Weg. Am 16. Oktober 1848 war der Grundstein für die St. Markuskirche gelegt worden. Zur Gestaltung wurden stilistische Anleihen am Dom zu Florenz, aber auch an romanischen Vorbildern genommen. Reiche Spender sparten nicht an der Ausgestaltung der Kirche und ließen den Altar und den Fußboden in Marmor ausführen. Am 28. Oktober 1855 wurde die Kirche eingeweiht. Ein Bombentreffer im Mai 1944 setzte den prächtigen Bau in Brand. Nur rußgeschwärzte Wände blieben übrig. Im Februar 1951 liefen Gerüchte betreffs einer Sprengung um. Im Januar 1958 räumten Jugendliche der Betriebsberufsschule der HO-Lebensmittel Friedrichshain die Trümmer der Markuskirche ab und an der Lichtenberger Straße entstanden neue Wohnblocks nach sowjetischen Vorbildern.

Betonmischer in de Lichtenberger Straße | Quelle: Bundesarchiv Bild 183-15317-0001
Mithilfe moderner Technik kam der Aufbau voran. / Quelle: Bundesarchiv Bild 183-15317-0001 /

Geradeaus

1957 waren die Grundzüge der „Ostmagistrale“ erkennbar. Von der Holzmarktstraße ausgehend, war die Umgebung der Markusstraße abgeräumt und der Verlauf der Markusstraße wurde in Richtung der neuen Lichtenberger Straße geändert. Zwar war noch die Weberstraße rudimentär vorhanden, denn ganz konnte man auf die hiesigen Betriebe nicht verzichten. Jedoch, zwischen 1962 und 1963 fielen auch diese Gebäude der Abrissbirne zum Opfer. Am 17. Dezember 1969 war es so weit: Als autoverkehrsgerechte Schnellverbindung erstreckte sich die Lichtenberger Straße von der Holzmarktstraße bis zum noch im Bau befindlichen künftigen „Leninplatz“ (heute Platz der Vereinten Nationen). Mit dem Ziel, ein Stadtautobahnnetz aufzubauen, waren in Westberlin ebenfalls verwinkelte Straßen begradigt und Dauergartenkolonien, in denen Ausgebombte bis in die frühen 1960er wohnten, abgeräumt worden. Diese Planungen gingen auf Entwürfe aus den NS-Jahren zurück. In den Konzeptunterlagen der frühen 1950er Jahre, sofern sie die Stadtautobahn betrafen, war wie zu NS-Zeiten viel von der „Schönheit der Straße“ die Rede und der Vision, den lokalen Straßenverkehr über die Stadtautobahnen zu entlasten. Ähnliches sah die Magistralenplanung für Friedrichshain vor. Nur sollten diese Trassen auch ebenerdige Aufmarschplätze sein und nicht auf Stelzen, Tunneln oder in Trögen verlaufen.

 

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