Ein Treffen mit Paul Geigerzähler.
Von
Mit Paul ins Gespräch zu kommen, ist nicht schwer. Und es sind auch immer sehr interessante, oft lebhafte und facettenreiche Gespräche, die man mit ihm führt. Politik, Kunst, soziale Bewegungen, man stößt auf profundes Wissen und auf Erfahrung. Bei allem scheint Freundlichkeit und Neugier eine Grundausstattung seines Wesens zu sein.
Musik war immer dabei
Paul spielt Geige und tritt als Paul Geigerzähler auf. „Singen und Geige spielen zusammen, können nicht viele“, erklärt er. „Da trifft man auf unterschiedlichste Musiker und geht musikalisch auch keine ausgetretenen Pfade entlang.“ Das Instrument begleitet ihn seit seiner Kindheit. „Wir lebten in Strehla, einer kleinen Stadt bei Riesa. Als Künstler hatten meine Eltern dort einen gewissen Status und standen immer so ein bisschen neben der Allgemeinheit. Ich aber konnte ihr nicht entfliehen, weil ich in die Schule musste. Da war die Geige für mich eine Möglichkeit, zu artikulieren, was ich sonst nicht ausdrücken konnte.“
Als er zwölf wurde, zogen die Eltern nach Berlin. „Seither bin ich Friedrichshainer, allerdings mit Unterbrechungen.“ Er kam für anderthalb Jahre auf das Bach-Gymnasium Mitte. Relativ früh versuchte er, außerhalb der Schule auch Bandprojekte zu realisieren. Der Zerfall der DDR und die anschließende Transformationsperiode änderten alles. „Die Möglichkeiten, die sich plötzlich ergaben, waren so spannend, dass für den Schulkram einfach kein Platz mehr blieb.“
Seine Leistungen nahmen rapide ab, mit 16 Jahren verließ er das Elternhaus und zog in ein besetztes Haus. „Als Jugendlicher passt du dich schneller an sich verändernde Verhältnisse an und kommst mit deiner Umwelt besser klar als die Erwachsenen.“ Sie konnten Paul damals nichts Schlüssiges entgegensetzen. „Ich wollte Punkrocker werden und vom Schnorren leben“, fasst er lachend zusammen.
So einfach war es dann doch nicht. Denn auch das Leben in den besetzten Häusern erwies sich als mitunter steinig und lehrreich. Den Alltag in einer Gemeinschaft zu bestreiten, die sich vor allem um ein Haus kümmern muss, Konflikte zwischen unterschiedlichen Gruppen und auch mit manchen charismatischen, bisweilen egoistischen Personen zu lösen, das war nicht immer einfach. Politisiert hat ihn die Räumungswelle unter dem damaligen Innenminister Jörg Schönbohm, ein Bundeswehrgeneral außer Dienst, der sich als Hardliner gegen diese Häuser ausgab. „Da waren auch Projekte mit dabei, die kurz vor der Unterzeichnung ihres Vertrags standen, also längst als befriedet galten.“
Danke für den schönen Artikel. Was vielleicht noch zum Kopfstand zu sagen wäre. Der Kopfstand war in erster Linie eine Lesebühne in Serienform. Analoges Netflix haben Sahara B., der “Papst, seine Frau und sein Porsche” & ich das manchmal genannt. Die Hefte haben wir immer mit den Texten vom letzten Mal herausgegeben – eine Zweitverwertung.
Für den Eindruck eine Tonaufnahme des 50. und letzten Kopfstands vom 3. Dezember:
https://www.mixcloud.com/Kopfstand_Lesung/kopfstand-50-03122020/