Frauenausschüsse in Friedrichshain.
Von
Am Abend des 20. Februars 1946 sagte Genosse Traeder in der Kulturstätte Memeler Straße 54: „Das Schicksal Deutschlands liegt in der Hand seiner Frauen. Dass Frauen weniger zum Leben benötigen als die Männer, ist nicht stichhaltig und die Frau muss denselben Lohn erhalten wie der Mann.“ Und Genosse Kirchmeier fragte: „Die Welt ist bisher von Männern geführt worden. Was sehen wir? Trümmerberge! Ob es von den Frauen nicht besser gemacht worden wäre?“, und er rief dazu auf: „sich nicht auf wundertätige Götzen zu verlassen, sondern auf die eigene Kraft zu vertrauen“!
Einheitlich
Um die sozialen Folgen des Krieges zu beseitigen, gründeten im Sommer 1945 Frauen, die wie Gertrud Senfl eben im Widerstand zum NS-System standen, parteiübergreifende Frauenausschüsse. Dem Bezirksfrauenausschuss Friedrichshain gehörten 21 Frauen an. 16 waren von der KPD, drei von der SPD, eine von der CDU und eine war katholisch. Die Ärztin Dr. Baumann (KPD) gab neben Gertrud Senfleben (SPD) den Ton an.
Taktik
Während einer Sitzung, die am 18. Oktober 1945 von Frauen der KPD abgehalten wurde, kam zur Sprache: „Wir kommen vom Bezirksfrauenausschuss. Wir arbeiten auf demokratischer Grundlage. Die Bevölkerung merkt, wir sind die Überparteilichen, lassen aber dabei durchblicken, dass wir von der KPD sind, damit wir die Frauen für uns kriegen, die kommen, um zu helfen. Die Führung liegt in unseren Händen. Durch unsere Arbeit schält es sich heraus, wem das große Lob, die Anerkennung gebührt.“
Arbeit
1945 lebten 108.000 Frauen im Bezirk. Das Büro des Frauenausschusses wurde täglich von 70 bis 80 Frauen besucht. Oft waren es alleinerziehende Mütter, die wegen ihrer Schichtarbeit nach Plätzen für die Kinder fragten. Im Alhambra, einem Kino in der Koppenstraße, im Jugendheim in der Andreasstraße, in der Wärmehalle Memeler Straße und in der Schule Straßmannstraße wurden Kinder untergebracht. Von der Betreuung ihrer Kinder überfordert, suchten Frauen eine Vormundschaft für ihre schwer erziehbaren Kinder. Pflegeeltern suchten aber „ein Mädelchen im Alter von 3 – 5 Jahren, mit blauen Augen, blond und geraden Beinen“. Vom Frauenausschuss kam: „Man möchte Flüchtlingskindern, die von der Flucht nicht so schön aussehen und vielleicht auch älter sind, diese Fürsorge angedeihen lassen. Im Übrigen wäre wirkliche fürsorgliche Hilfe gefragt.“
Ideologien
Politische Differenzen gärten im Ausschuss. So am 29. September 1945 bei der Frage, ob Schwangerschaftsunterbrechungen für körperlich schwache Frauen oder bei denen eine Lebensgefahr besteht, künftig straffrei werden sollten. „Nicht aber jenen, die einen leichten Lebenswandel führen“, betonte Frau Baumann (KPD). Frau Senfleben (SPD) dagegen: „Zwischen 1933 bis 1945 starben 40.000 Frauen infolge privater Abtreibungen, 80.000 litten an schweren Folgen der unprofessionellen Eingriffe und 300.000 wurden unfruchtbar. Wir von der SPD haben gefordert, den §218 abzuschaffen. In noch radikalerer Form stellte die KPD dieselben Forderungen bis 1933. Seit Russland 1941 diesen Paragrafen wieder aufgenommen hat und Ärzte, die gegen diesen verstoßen haben, mit Gefängnis bestraft werden, lehnt die KPD eine Diskussion darüber ab!“ Im September 1945 wurde Frau Baumann zu einer toten Frau gerufen. Umschwirrt von Fliegen lag diese in einem Bett voller Kot. Im sowjetischen Sektor war das Rote Kreuz aufgelöst und eine Hilfe unmöglich. Frau Baumann dazu: „Bei den Amerikanern und Engländern existiert das Rote Kreuz noch, aber dort strömen reaktionäre Kräfte zusammen.“
Betreuung
Unter der Devise: „Wenn wir diese Fragen lösen, dann als eine politische Aufgabe und nicht aus Wohltätigkeit“, waren KPD-Genossinnen vom Bezirksfrauenausschuss mit ihren Helferinnen im Bunker am Ostbahnhof freiwillig tätig. Allein im Oktober 1945 verstarben innerhalb von drei Tagen zehn Heimkehrer. Sowjetische Soldaten verübten Überfälle auf Flüchtlinge am Ostbahnhof oder vergriffen sich an Frauen im Bahnhofsbunker. Die KPD-Genossinnen gingen im Januar 1946 zum sowjetischen Bezirkskommandanten. Sie erreichten, dass der Bunkerwart Gegenmaßnahmen anordnen durfte. Der Luftschutzbunker Plaza am Küstriner Platz diente der Aufnahme von Durchreisenden. Frauen vom Ausschuss übernahmen ehrenamtlich die Essensausgabe. Über 12.000 Arbeitsstunden fielen dabei an. Seit dem 20. November 1945 kochten täglich 130 Frauen über vier Stunden am Tag in der Großküche Kinzingstraße 9 in Tages- und Nachtschichten Essen, das in Thermosbehältern an 28 Friedrichshainer Schulen geliefert und an 17.000 Kinder verteilt wurde. Generalleutnant Smirnow spendete 3.963 Kilogramm Kekse und 3.963 Bonbons. Vom 21. bis zum 24. Dezember 1945 wurde diese Menge in der Kinzingstraße auf 200-Gramm-Tüten abgepackt. 750 freiwillige Arbeitsstunden waren dafür in Tag und Nachtschicht zu leisten.
Lohn
Für ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten erhielten die beteiligten Frauen nur die mit kargen Rationen versehene Lebensmittelkarte V. Eine Bezahlung lehnten das Arbeitsamt und andere Stellen rigoros ab. Die geleistete Arbeit wurde für selbstverständlich gehalten und „dem Wesen der Frau, der Natur des weiblichen Geschlechts zugeschrieben“. Frauen mit zwei Kindern, die „richtig arbeiteten“, erhielten die bessere Karte III.
Auflösung
Die Dominanz der SED-Genossinnen in den Westberliner Ausschüssen wurde zum Politikum. Am 14. Februar 1947 beschloss die Gesamtberliner Stadtverordnetenversammlung die Auflösung der Ausschüsse. Die Frauen in den Ausschüssen wurden zur Entscheidung nicht gefragt. Frau Elli Schmidt-Ackermann (SED), sie leitete den Frauenausschuss des Magistrats, protestierte: „In den Frauenausschüssen sammelten sich die aktivsten Frauen, um im Mai 1945 Ordnung in das Chaos zu bringen. Parteilose und Frauen aus allen Parteien. Friedrichshainer Helferinnen haben ehrenamtlich 528.350 Arbeitsstunden geleistet. Angesichts unserer Not mutet der Auflösungsantrag sinnlos an!“ Auf sowjetischen Befehl wurden im Ostteil die Frauenausschüsse am 11. November 1947 mit dem 1947 gegründeten Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD) verschmolzen.