Hajo Toppius | Foto: Giovanni Lo Curto

Kunst als Lupe und Musik als Handwerkszug

Foto: Giovanni Lo Curto

Selbstbauinstrument auf einem Ausschnitt aus der Stadt-Klang-Karte 2.0.Bausätze sind auf der Homepage des Projekts zu finden. | Foto: Giovanni Lo Curto
Selbstbauinstrument auf einem Ausschnitt aus der Stadt-Klang-Karte 2.0.
Bausätze sind auf der Homepage des Projekts zu finden. / Foto: Giovanni Lo Curto /

Kunst ist nicht genug

2010 gründete er mit seinem ehemaligen Mitschüler, Bandkollegen und guten Freund, Sascha Schneider, das Kulturbüro Kollegen 2,3, das Projekte „zwischen Kunst und Stadt“ realisiert. „Künstlerisches Arbeiten nach dem Motto: ‚Ich schütte mein Herz aus und zeige meine Sicht auf die Welt‘ reichte uns nicht. Wir denken auch viel darüber nach, wie wir Leute erreichen und einbinden können.“ Hajo nennt es auch soziales Arbeiten. So entstand durch Mithilfe von Anwohnern in Hellersdorf eine Riesenkugelbahn, wobei die Leute mit eingebunden wurden: Wie soll die Kugel laufen, was soll sie anschieben? Ein anderes Beispiel ist das partizipative „Festival für selbstgebaute Musik“, das 2012 als Moabiter Musiktage mit 150 Teilnehmern startete. Wichtig sind nicht nur die Konzerte, sondern auch Experimente und Wissensvermittlung. Musik lässt sich mit der Frage „Wie entstehen Töne mit dem Selberbauen von Instrumenten?“ anschaulich vermitteln. „Das Festival leitet vor allem meine Kollegin Lea Grönholdt und uns ist da der aktive Austausch mit Musikerinnen ganz wichtig und dass ein Netzwerk entsteht. Viele von den Künstlerinnen und Künstlern laden wir deshalb auch jedes Jahr wieder ein.“ Inzwischen in zweiter Auflage erscheint eine „Stadt-Klang-Karte“, mit der sich der Stadtraum auch akustisch und musikalisch erobern lässt. Da wird auf die Röhrenrutsche auf dem Boxi-Spielplatz hingewiesen, in die man hineinrufen und lauschen kann, wie sie klingt. Oder auf dem Straßenpflaster in der Grünberger Straße lässt sich mit einem Fahrrad das Klackergeräusch nicht nur erhören und erfahren, man kann es auch durch den ganzen Körper spüren. Hajo erfindet mit dem Projekt Selbstgebaute Musik neuartige Musikinstrumente, auf denen viele Leute gleichzeitig spielen können. „Für Musiker ist es kein Problem, damit gemeinsam zu spielen. Aber wie können kollektive Prozesse so gesteuert werden, dass auch Laien zusammen das Instrument spielen können?“ Und immer spielt vor dem Hintergrund der Erfahrung von Musik, Kommunikation und Stadtraum auch die theoretische Auseinandersetzung eine wichtige Rolle, in der Vergangenheit bei Studien zu stadtpolitischen Themen, in Vorträgen und aktuell in Hochschulvorlesungen zur kulturellen Praxis. Aber immer findet diese Auseinandersetzung gerade auch auf künstlerischem Weg statt. Auch ein neues Projekt geht in die experimentelle Richtung. Auf Anregung der Stadtmission, die Nachbarn von Selbstgebaute Musik im Haus der Statistik am Alexanderplatz sind, ist das Projekt post echoes entstanden. Die Stadtmission löst sehr viele Wohnungen auf, deren Inhaber gestorben sind. Da finden sich zahlreiche ehemals geschätzte Gebrauchsgegenstände, aber auch sehr persönliche Dinge. Mit den Wohnungsauflösungen verschwinden auch Persönlichkeiten der vormaligen Besitzerinnen und Besitzer. Diesen Menschen einen musikalischen Nachruf zu geben, ist Ziel des Vorhabens, indem mit diesen Gegenständen kleine Musikstücke auf selbst gebauten Instrumenten gemacht wird. Diese Nachrufe werden im Frühjahr 2023 im Kulturraum Zwinglikirche präsentiert.

Was sagst Du dazu?

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert