Zu Besuch bei Inga Lieckfeldt, der Inhaberin des Modegeschäfts SYLD STORE in der Frankfurter Allee 32 | Foto: Giovanni Lo Curto

„Ohne die Erfahrung mit dem Label würde ich nicht den Laden haben”

Zu Besuch bei Inga Lieckfeldt, der Inhaberin des Modegeschäfts SYLD STORE in der Frankfurter Allee 32 | Foto: Giovanni Lo Curto
In diesen Zeiten ein eigenes Geschäft in der Kreativbranche erfolgreich zu betreiben, erfordert nicht nur fachliches Können, sondern auch gute Kontakte, Beharrungsvermögen und Mut.
/ Foto: Giovanni Lo Curto /

Zu Besuch im Modegeschäft SYLD STORE
in der Frankfurter Allee 32.

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Es ist nicht einfach, beim Kauf von Kleidung genau das zu finden, was einem gefällt und was zu einem passt. Vielleicht gehören auch Sie zu den Menschen, die in so einer Situation ratlos vor dem Überangebot in Kaufhäusern stehen und finden, dass alles langweilig und gleich aussieht. Auch kleine Modeläden, die ihre Ware ebenso über die großen Messen und Händler beziehen, sind nicht wirklich die Lösung. Denn auch hier herrschen Einfallslosigkeit und fehlende Produkttransparenz. Zudem wird durch diese Art des Gewerbes zunehmend lokales Handwerk vertrieben.

Waschechter Berliner Stil

Der SYLD STORE ist das Gegenteil davon. Das erfahre ich von der Inhaberin Inga Lieckfeldt, mit der ich mich in ihrem Laden in der Frankfurter Allee verabredet habe. SYLD ist eine Abkürzung und steht für: Support Your Local Designers&artists – unterstützt die hiesigen Designer*innen und Künstler*innen – „wobei Artists gleichberechtigt genannt werden“, erläutert Inga. „Ich sehe Handwerk als künstlerisch an und gebe ihm hier einen öffentlichen Raum.“
In Nachbarschaft mit Studiogalerie und Teegeschäft, zwei langjährigen Friedrichshainer Local Playern, bringt sie etwas Besonderes mit: Sie ist gleich um die Ecke aufgewachsen und lebt auch noch hier. „Einmal hütete ich für 14 Tage eine Wohnung in Neukölln. Ich glaube, das war mein längster auswärtiger Aufenthalt“, sagt sie und lacht dabei.
Schon auf den ersten Blick ist Inga Lieckfeldt außergewöhnlich. Sie trägt eine weite dunkle Hose, einen fast wehenden Umhang und eine Kopfbedeckung. Während des Gesprächs betrachtet die etwa Dreißigjährige mich aufmerksam und vermittelt den Eindruck von Wissen und Erfahrung. Seit 2017 besteht das Geschäft auf 100 Quadratmetern, das momentan 28 verschiedene Labels präsentiert, nicht nur Kleidung, sondern auch Accessoires wie Schmuck, Sonnenbrillen oder Taschen. Zwei davon kommen nicht aus Berlin. „Denn das ist kein Muss. Es sollte einfach zu uns passen“, unterstreicht die Ladeninhaberin.

Mehr als nur verkaufen

Inga studierte an der HTW Bekleidungstechnik. „Design zu studieren, konnte ich mir schlecht vorstellen. Ich befürchtete, da denke ich mir etwas aus und jemand sagt dann: ‚Das ist nicht richtig, mach‘ das mal anders!‘“ Selbstständigkeit ist in diesem Studienfach eigentlich nicht vorgesehen, obwohl es auch kreative Komponenten beinhaltet. „Ich habe mich auch nie in so einem technischen Beruf arbeiten sehen.
So gründete ich 2013 das Label BERLINA PFLANZE. Meine Bachelorarbeit war praktisch mein Konzept.“ Später sattelte sie noch den Master drauf. Zeitgleich folgten für sie, die nur Unikate anferti gt, Erfahrungen mit Berliner Geschäften. Gleich am Anfang konnte sie den LNFA Store im wieder eröffneten Bikini-Haus am Zoo überzeugen, ein unglaublicher Schub.
„Man muss nicht nur von sich selbst überzeugt sein, sondern braucht jemanden, der von einem überzeugt ist“, kommentiert sie. Genau dies versteht Inga als Unterstützung.
„Als Ladeninhaberin stehe ich sozusagen auf der ‚anderen Seite‘ des Gewerbes, doch kenne ich die Situation der Designer* innen sehr gut.“ Es geht nicht nur darum, ihre Produkte zu verkaufen, sondern die Labels auch an Netzwerken, Kontakten, Veranstaltungen wie Messen und Modeschauen teilhaben zu lassen. „Ich habe Mode schon immer als Miteinander empfunden. Wenn mir etwas gefällt, denke ich gleich darüber nach, wie man es noch besser machen kann“, sagt sie und resümiert: „Ohne die Erfahrung mit dem Label würde ich nicht den Laden haben.“

Zu Besuch bei Inga Lieckfeldt, der Inhaberin des Modegeschäfts SYLD STORE in der Frankfurter Allee 32 | Foto: Giovanni Lo Curto
Die Industrienähmaschine neben der Kasse ist keine Dekoration, sondern ein von Inga immer noch genutztes Arbeitsgerät. / Foto: Giovanni Lo Curto /

Das Interesse der Kunden ist da

Die Kunden möchten gern wissen, wer die Mode herstellt. Sie wissen, dass sie mit dem Kauf eines Produkts auch ein Stück der Person der Designer erwerben. Das Angebot ist vielfältig, dementsprechend fällt das Interesse aus.
„Unsere Kund*innen könnten unterschiedlicher nicht sein. Von 20 bis 70 Jahren und älter finden sie hier regelmäßig etwas Schönes für sich, etwas Alltägliches, aber auch das Besondere für Alltag und Arbeit. Und natürlich ist auch etwas zum Ausgehen dabei.“
Die Pandemie zwang zu ungewöhnlichen Wegen.
„Im August 2020 veranstalteten wir eine Art Guerilla-Modeschau in der Karl-Marx-Allee. Die Designer* innen trugen und zeigten ihre Mode selbst. Oft fragt man sich ja, ob das Model die Kleidung trägt oder die Kleidung das Model. Bei uns ist zu sehen, dass wir Menschen mit Emotionen sind und dass man auch lachen oder sich ärgern kann.“
Viele Label-Gründungen überstehen die ersten ein bis zwei Jahre nicht. Das Angebot an die Läden ist in Berlin sehr groß. „Bei vielen Stores müssen die Designer*innen nicht nur gut sein, sondern sie sollen auch noch Fashion-Week-Erfahrung mitbringen. Mir geht es jedoch um das, was gezeigt wird und nicht darum, wo es schon einmal gezeigt wurde. Ich finde, die Designer*innen sollten sich vor allem wohl und gut aufgehoben fühlen.“
Während des Lockdowns war es wie überall sehr schwierig. „Aber sobald es ging, haben wir über Click & Meet Besuchszeiten für jeweils zwei Kund*innen eingerichtet, was gut angenommen wurde. Das war etwas Besonderes und hat den Leuten gefallen. So ein bisschen wie Privatshopping. Mit der Testpflicht gingen die Kundenzahlen zunächst einmal wieder stark zurück, aber ab Juni wurde es wieder besser.“

Zu Besuch bei Inga Lieckfeldt, der Inhaberin des Modegeschäfts SYLD STORE in der Frankfurter Allee 32 | Foto: Giovanni Lo Curto
Eigenwillige Accessoires, vornehmlich aus Berliner Werkstätten, bereichern die Kollektionen.
/ Foto: Giovanni Lo Curto /
Zu Besuch bei Inga Lieckfeldt, der Inhaberin des Modegeschäfts SYLD STORE in der Frankfurter Allee 32 | Foto: Giovanni Lo Curto
„Verdammt, wir sind noch da!“ – schon auf den ersten Blick etwas Besonderes.
/ Giovanni Lo Curto /

Modestadt Berlin?

Zum Laden gehört ein kleiner Raum mit Schaufenster. Dort lässt Inga Kolleginnen und Kollegen ausstellen als eine besondere Form der Unterstützung, aber auch des Angebots. Auch im Laden finden immer wieder kreative Formate und Events statt. Traditionell gehörte die Textilproduktion in Berlin zu den stärksten Gewerben und dies in Ost und West gleichermaßen. Diese Zeiten sind jedoch vorbei. Dennoch, ist Berlin eine Modestadt?
Inga lacht und antwortet: „Fontane schrieb: Sowie man Berlin betritt, ist es mit Schick und Eleganz vorbei“, und fügt hinzu: „Es passiert aber viel in Berlin. Doch wäre es gut, wenn sich die Stadt auf das konzentriert, was sie so sehr ausmacht: unkonventionell, kreativ, und experimentell.“
Man kann Berlin so eine Entwicklung nur wünschen und dem Laden, dass er dabei stets etwas Besonderes bleibt. „Wie es heißt, braucht man mindestens drei Jahre, bis sich so ein Geschäft etabliert“, sagt Inga Lieckfeldt. „Wir sind jetzt bei vier Jahren, davon zwei mit Corona und den allseits bekannten Folgen.“
Wir wünschen SYLD STORE noch viele erfolgreiche Jahre.

www.syldstore.berlina-pflanze.com

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