Aufmarsch NVA in der Karl-Marx-Allee | Quelle: Bundesarchiv Bild 183-N1007-0311

Allee im Sonntagsglanz

DDR-Geburtstag | Quelle: Bundesarchiv Bild 183-J1006-0049-001
Mit der Fackel in der Hand zum DDR-Geburtstag / Quelle: Bundesarchiv Bild 183-J1006-0049-001 /

Paraden auf der Magistrale.

Von

„Wo Stalin ist, da ist Zuversicht und Kraft, wo Stalin ist, da ist die Zukunft. Als Ausdruck der tiefen Verehrung und der unverbrüchlichen treuen Freundschaft zu Stalin und den Völkern der Sowjetunion erfolgt heute die Umbenennung der Frankfurter Allee in Stalinallee. Von nun an und für immer werde die Frankfurter Allee den Namen Stalins tragen.“ 21. Dezember 1949: Die Kapelle der Berliner Volkspolizei spielte auf und eine Ehrenparade der FDJ zog mit Transparenten an der Tribüne vorbei. „Lang lebe Stalin“ und „Freundschaft für immer mit Stalin“ war auf diesen zu lesen. Zur „modernsten Straße Deutschlands“ sollte die Allee werden und eine „Straße des Friedens“, eines Friedens mit Waffen.

Viele Dienste

Die Delegierten des IV. Parlaments der FDJ waren 1952 aufgerufen, zum „Schutz des Sozialismus das Gewehr in die Hand zu nehmen, um den Kriegstreibern, die unsere Jungen in Söldnerarmeen zwingen und unsere Mädels als Amüsiermädchen für die imperialistischen Okkupationstruppen missbrauchen wollen, eine gewaltige Niederlage zu erteilen“. Sie sollten sich zum Dienst für Deutschland (DD) oder der Kasernierten Volkspolizei (KVP) zu verpflichten“. Wer zum DD ging, würde beim Aufbau von Kasernen für die KVP helfen und wer zur KVP ging, an der Waffe ausgebildet. Erfolgreiche Werbungen für den DD oder die KVP würden mit Sportgewehren belohnt.
Die Friedrichshainer Großbetriebe richteten 15 Schießzirkel mit Schießunterricht ein. Alle Mädels einer FDJ-Gruppe beim VEB Narva verpflichteten sich zur Teilnahme am Schießzirkel, war auf einer Wandzeitung zu lesen und man zeigte FDJler mit Karabinern. Die Zeitung wurde am nächsten Tag zerrissen. Es kam gar die Frage auf, warum den Kindern das Spielen mit waffenähnlichen Dingen untersagt wird, wenn zugleich bei der FDJ echte Waffen eingeführt werden, wo doch Ulbricht sagte „Wir brauchen keine Armee!“ und Stalin meinte, der Jugend soll man keine Waffen geben. Am 19. August 1952 rutschte dem 17-jährigen Lehrling Tollbert in Anspielung auf den DD und die KVP raus: „Mit dem Spaten fing es an und mit dem Gewehr hörte es auf.“ FDJler hatten zur Ernst-Thälmann-Feier eine Mahnwache mit Luftgewehren im RAW Revalerstraße abgehalten. „Den Freunden, die nicht breit sind, in die Reihen der KVP einzutreten, muss ganz klar gesagt werden, dass sie Agenten und Gegner des Friedens sind“, kam zur Antwort. Knapp acht Jahre nach Kriegsende marschierten im März 1953 bewaffnete Hundertschaften der KVP in der Stalinallee auf. Anlässlich des Todes von Stalin spielte deren Orchester einen Trauermarsch. Die Geldmittel für den Aufbau der KVP wurden auf „Vorschlag der sowjetischen Genossen“ über Einsparungen, höhere Steuern und Lohnverlust infolge von Normerhöhungen eingebracht. Das rächte sich am 17. Juni 1953. In den folgenden Jahren war das Orchester der KVP oft in der Stalinallee zu hören, die Hundertschaften marschierten aber nur noch am Marx-Engels-Platz.

Aufmarsch NVA in der Karl-Marx-Allee | Quelle: Bundesarchiv Bild 183-N1007-0311
Ein Vierteljahrhundert DDR und Tschingderassa in der Karl-Marx-Allee / Quelle: Bundesarchiv Bild 183-N1007-0311 /

Ausstellung

Eine Ausstellung in der Sporthalle an der Stalinallee zeigte im Januar 1956 die Uniformen der Nationalen Volksarmee (NVA). Ministerpräsident Willi Stoph sagte zur Eröffnung: „Diese entsprechen den nationalen und patriotischen Interessen des ganzen deutschen Volkes. Der steingraue Farbton lehnt sich an Vorbilder der Befreiungskriege an. Ob Jägerkompanien im Lützowschen Freikorps oder Infanterieregimenter der großen nationalen Freiheitskämpfe von 1813, alle trugen steingraue Uniformen. Im Gegensatz dazu stehen die amerikanisierten, antinationalen Uniformen der westdeutschen NATO-Söldner“. Horst Löber, ein FDJler vom VEB Narva meinte während einer Versammlung: „Man kann die nationalen Streitkräfte der DDR nicht als national bezeichnen, da sie nicht den Interessen des deutschen Volkes dienen. Deutschland ist keine Nation mehr und die Aufstellung von nationalen Streitkräften steht im Widerspruch zu den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz!“ Und an die Häuserwände der Stalinallee schrieben Unbekannte zur gleichen Zeit: „Ami go Home, Iwan hau ab, nationale Streitkräfte ohne uns.“

Ehrenformation

„Hammer und Zirkel im Ährenkranz, Zeichen des Glücks an der Wiege. Weit über die Grenzen des Vaterlands trägt es den Ruhm unsrer Siege“, hallte es am 26. Januar 1956 durch die Stalinallee. Anlass war die Luxemburg / Liebknecht- Kampfdemonstration. Kompanien aller Waffengattungen der Volksarmee marschierten durch die Magistrale. Da neben NVA-Einheiten 15.000 Mann der bewaffneten paramilitärischen Kampfgruppen angetreten waren, stand in den Zeitungen: „Seite an Seite im gleichen Zug mit ihren ehemaligen Arbeitskollegen demonstrierten Angehörige unserer nationalen Streitkräfte.“ Eine Kompanie führte das Transparent mit: „Befolgt die Mahnung Liebknechts und Luxemburgs: Der Hauptfeind des deutschen Volkes ist der deutsche Militarismus.“ Dieser erste Aufmarsch von NVA und Kampfgruppen im Januar 1956 löste einen Protest der westalliierten Stadtkommandanten aus, der von den Sowjets abgewiesen wurde. Um beim Mauerbau am 13. August 1961 Fluchten zu verhindern, wachten Kampfgruppen des Bremsenwerkes an der Schillingbrücke und entlang des Spreeufers.

Parade begleitet vom Gitarrenspiel | Foto: D. Krenz
Auch Gitarrenspiel begleitete die Paraden. / Foto: D. Krenz /

Parade

Für das militärische Zeremoniell zum 40. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1989 traten in der Karl-Marx-Allee Einheiten der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen im akkuraten Stechschritt an. Für die TV-Liveübertragung wurde der Aufmarsch des Musikkorps der Grenztruppen kommentiert: „Diese Parade hat nicht das geringste zu tun mit militärischer Kraftmeierei. Sie ist keine Drohgebärde gegen die Nachbarn im europäischen Haus.“ Michail Gorbatschow verfolgte das Schauspiel von der Ehrentribüne. Am Tag vorher war er Gast eines Fackelzuges handverlesener FDJler und SED-Mitglieder. In sein Tagebuch schrieb er: „Aufschlussreich waren die Sprechchöre in ihren Reihen: Perestroika! Gorbatschow hilf! Gorbatschow, rette uns.“ Und er dachte: „Das ist doch das Aktiv der Partei!“ Er wusste „Das ist das Ende!“

 

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