Der Fotograf Jochen Haupt, Foto (Detail): Giovanni Lo Curto

Ein Dokumentarist seiner Zeit

Selbst gebaute Radios für Roggen: Harte Nachkriegszeit

Statt seinen Schulabschluss nachzuholen, bastelte Jochen Haupt in Heimarbeit Radiogeräte in Zigarrenkisten zusammen, wobei ihm seine in den Lehrgängen als Funker erworbenen Kenntnisse zugute kamen. Um die dafür notwendigen Bauteile aus übrig gebliebenen Wehrmachtsbeständen zusammen zu bekommen, zog er durch die ganze Stadt.
Im zerstörten Nachkriegsberlin ging es ums bloße Überleben: „Für so einen kleinen Apparat bekam ich bei Bauern einen Viertelzentner Roggen. Daraus konnte meine Mutter Grütze kochen.“ Jochen Haupt entwickelte auch ein Verfahren, mit dem man verbrauchte Radioröhren regenerieren konnte. Lebhaft erzählt er, wie er sie wieder aufbereitete, um sie einem Laden anzubieten. Ihm war klar, dass sie nach dem Verkauf wahrscheinlich nur ein paar Stunden hielten. „Solche Geschäfte waren typisch für diese Zeit.“
Schließlich holte er sein Abitur doch noch nach. Der Vater war als vermisst gemeldet. Jochen Haupt erhielt von einem Kameraden die verschlüsselte Nachricht, dass der Vater im Sommer 1943 im Kursker Bogen übergelaufen sei. Aber er blieb verschollen.

Zu wenig Parteidisziplin für die Funktionärskarriere

Ein alter Genosse seines Vaters bestimmte: „Du studierst, und zwar Ökonomie! Wir müssen die zukünftigen Schaltstellen besetzen.“ Doch obwohl es sich als Diplomökonom hoffnungsvoll anließ, wurde es mit der großen Karriere nichts. Am Gesellschaftswissenschaftlichen Institut der Humboldt-Universität arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent und hielt Vorlesungen über Politische Ökonomie des Sozialismus. Weil er dabei seine Forschungsergebnisse zur Dissertationsarbeit verwendete, die im Widerspruch zum Lehrprogramm standen, wurde er 1958 vor die Parteileitung geladen, um sich zu rechtfertigen. Fachlich konnten sie ihm nichts, denn er bewies die Richtigkeit seines Standpunkts. Dennoch hatte er gegen die Stalindoktrin verstoßen. „Wenn wir Fehler machen, machen wir sie gemeinsam!“, so lautete der zynische Kommentar, mit dem Jochen Haupt zur Bewährung in den VEB Starkstromanlagenbau versetzt wurde. Noch heute schüttelt er den Kopf über eine solche „Parteidisziplin“ der Funktionäre.
Weil man offenbar nicht auf seine Kenntnisse verzichten wollte, wurde er bald wieder mit qualifizierten Aufgaben betraut. Anfang der 1970er Jahre war er sogar Mitglied der Arbeitsgruppe „Strukturpolitik“ unter Wirtschaftsminister Günter Mittag. Als sie aufgelöst wurde, beschloss Jochen Haupt, sein Hobby zum Beruf zu machen.

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