Der Petersburger Platz im Wandel.
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Schon im Hobrechtplan als länglicher Platz angelegt, erhielt der Petersburger Platz seinen Namen 1897 nach der Petersburger Straße, an der er liegt. Der Petersburger Platz galt alles andere als hochherrschaftlich. Hier im Nordkiez waren Proletarier, Handwerker und kleine Kaufleute ansässig. Eine Grünanlage mit Spielplatz existierte schon in den 1920er Jahren. Hier war bis 1933 eine Hochburg der antifaschistischen Arbeiterschaft. Im Februar 1933 überfielen SA-Rollkommandos die SPD- und KPD-Lokale in der Matternstraße. Noch am 1. Mai gelang es, auf dem Platz eine Rote Fahne zu entrollen. Der Krieg hinterließ auch hier Zerstörungen und der Platz selbst wurde zur vorläufigen Grabstätte der letzten Kriegstoten der Umgebung.
Ein Ort der Parteipolitik
So unscheinbar der Platz sein mochte, auch ihn streifte die Geschichte. Anlässlich der letzten Gesamtberliner Wahl vor der Teilung der Stadt am 20. Oktober 1946 hielt genau hier der Antifaschist und ehemalige KZ-Insasse und Zweite Vorsitzende der SED, Max Fechner, am 18. Oktober eine Rede. Doch nicht die SED gewann, sondern die SPD, die im Osten Deutschlands gerade erst im April mit der KPD vereinigt worden war – und dies nicht gerade freiwillig. Fechner war der erste DDR-Justizminister. Als solcher bezog er im Juni 1953 Position für die streikenden Arbeiter. Dafür wurde er zu acht Jahren Haft verurteilt, wobei seine Homosexualität als verschärfender Strafgrund hinzugezogen wurde: „Nicht nur politisch, sondern auch moralisch verkommen“, hieß es im entsprechenden Urteil: „Mit seinem Kraftfahrer hatte er von Mitte 1952 bis zum Mai 1953 ein homosexuelles Verhältnis.“ 1956 begnadigt, durfte er zwei Jahre später wieder Mitglied der SED werden und wurde, wohl weil er sich nicht mehr kritisch äußerte, in den Folgejahren mit allerhöchsten Orden behangen.
Ein Dreivierteljahr nach der Wahlschlappe der SED trat diese Partei wiederum auf dem Petersburger Platz in Erscheinung, diesmal keck oppositionell. Deren Vorsitzender, Wilhelm Pieck, kritisierte vor 2000 Zuhörern den SPD-Magistrat dafür, dass die Polizei bei den Leuten, die sich aufgrund des Mangels aus dem Umland versorgten, keinen Unterschied machte, zwischen „denen, die sich hier und da einige Pfund ergattert haben und den berufsmäßigen Schiebern“. Welche Heuchelei: zeigte doch gerade die SED auch gegenüber den kleinen „Hamsterfahrern“ kein Erbarmen, als sie selbst das Ruder in der Hand hatte.
Ein Festplatz
Wo konnten die 2000 Zuhörer damals gestanden haben, so fragt man sich heute. Die Antwort ist einfach: Die ehemalige Grünanlage war wüst, die Bäume hatte man gefällt und verheizt. Ende Oktober 1949 kündigte die Berliner Zeitung die Begrünung des Platzes für 1950 an. Mitten durch den Platz war ein Hauptweg geplant. „Links und rechts breiten sich grüne Rasenflächen aus, die am Platzrand entlang von Bäumen eingefasst werden. Auf der einen Seite wird hinter der Rasenfläche ein Kinderspielplatz gebaut, auf der anderen Seite – recht weit entfernt von der lärmenden Jugend – werden die Älteren ein Ruheplätzchen finden. Mutti braucht dann nicht mehr auf den Zementklötzen zu hocken, die wegen ihrer Unverbrennbarkeit die letzten Jahre so gut überstanden haben, im Gegensatz zu den hölzernen Sitzflächen der Bänke.“
Doch nicht über den Start der Begrünungsarbeiten wurde im April 1950 berichtet, sondern darüber, dass Kinder eine gefundene Handgranate auf dem Platz zur Explosion brachten. Ein Kind wurde schwer und zwei Kinder und eine Frau leicht verletzt. Am 17. Mai versprach die Berliner Zeitung schließlich, dass der Grünplatz jetzt endlich angelegt werden soll.
In den Jahren danach wurde der neu gestaltete Platz als Festplatz genutzt, so beispielsweise am 1. Mai 1951 zwischen der Straßmann- und der Zorndorfer Straße (heute Mühsamstraße). Dort traten eine Kapelle der FDJ, Klampfenchöre und Volkstanzgruppen der Schulen in der Straßmann- und der Eckertstraße, eine Turngruppe am Barren und Gymnastikgruppen auf. Am 1. Augst 1950 war auch die Pfingstkirche wieder geweiht worden.
Helden unterschiedlichen Formats
Von der Heldentat eines 25jährigen berichtet die Berliner Zeitung am 2. April 1967. Dieser war, als er aus einer Parterrewohnung am Peterburger Platz 2 Rauch aufsteigen sah, kurzerhand durch das Toilettenfenster in die Wohnung eingedrungen und hatte vier Kinder befreit. Eines von diesen hatte mit Streichhölzern gespielt und dabei Papier in Brand gesetzt. In dieser Zeit wurden auch die ersten Häuser des Platzes saniert.
1982 wurde der Platz anlässlich des Ablebens des ehemaligen Stadtkommandanten Alexander Kotikow in Kotikowplatz umbenannt. Dieser war 1946 ein Nachfolger des Stadtkommandanten Nikolai Bersarin. Doch obwohl auch er populäre Maßnahmen durchsetzte – unpopuläre freilich auch, gewann er nie die Achtung, die Bersarin entgegengebracht wurde. Bekannt wurde der neue Stadtkommandant dafür, dass er in wichtigen Betrieben und Instituten das „Kotikow-Essen“ einführen ließ, eine warme, nahrhafte Mahlzeit. Diese Betriebe wurden mit Sondermitteln versorgt.
Ihm wurde nach 1990 die Würde des Namenspatrons, wie auch die der Ehrenbürgerschaft aberkannt, weil er der Spaltung der Stadt Vorschub leistete. Nur wenigen ist bekannt, dass die Tochter Kotikows für das Mädchen Modell stand, das die Plastik des sowjetischen Soldaten auf dem Ehrenmal in Treptow auf dem Arm trägt.
Noch einmal große Geschichte
Im Juni 1987 fand in der Pfingstkirche der inzwischen legendäre Kirchentag von Unten statt. Basisgruppen, junge kritische Leute, politisierte Jugendliche, Christen und Nichtchristen protestierten dort gegen die Politik der Leitung der evangelischen Kirche. Diese hatte, damit sie im Jahr des 750. Stadtjubiläums einen großen Kirchentag durchführen konnte, auf Bitten des Staates einige Schritte gegen die staatskritischen Gruppen in ihren Räumen unternommen. An zwei Veranstaltungstagen kamen etwa 6000 Besucher, die sich über die Themen der Basisgruppen informieren wollten oder Kulturveranstaltungen besuchten, die der Staat nicht gestattete: Lesungen mit offiziell verpönten Schriftstellern, Punk-Konzerte und Performances. Die Kirche von Unten, die daraus entstand, entwickelt sich schnell zu einer der radikalsten Gruppen gegen die SED-Herrschaft.
Heute sieht man dem Petersburger Platz nicht mehr an, dass er einst Schauplatz gesellschaftlicher Auseinandersetzungen gewesen ist. Das großzügig gewachsene Grün erfreut Passanten und Besucher. Viele denken sicher, wie schön und friedlich dieser Ort ist. Man kann nur hoffen, dass es auch in Zukunft so bleibt.
Interessant der gesamte Beitrag.
Habe als Anwohner (Zorndorfer Str.43; Jahrgang 39; Schulbesuch Eckert Str.) den Platz
selbst während meiner ganzen Kindheit erlebt. Durchfurcht mit Schützengräben, dort als Abenteuerspielplatz und später als “Fußballfeld”