So war es, und man konnte meinen, es sei für immer, doch es sollte nicht so bleiben: 1990 kam die Währungsunion, und bald waren sämtliche Betriebe Stralaus geschlossen, die Glashütte, die gleich daneben gelegene Engelhardt-Brauerei, die Werft … Stralau wurde zum Abenteuerspielplatz, man konnte mit etwas Geschick in zuvor unzugängliches Gelände eindringen und in den verlassenen Anlagen herumstöbern. Viel zu entdecken gab es allerdings nicht, die Werksanlagen waren nur noch leere Gehäuse. Zu jener Zeit war ich meist mit dem Fahrrad dort unterwegs, mal nachmittags, mal am frühen Abend. Ich fotografierte viel. Mit dem Bier wurde es auch jetzt nichts: Die Kneipe machte ebenfalls dicht. Geblieben war die Karl-Marx-Gedenkstätte mit Blick nach Treptow hinüber; in dem längst verschwundenen Bauernhaus auf dem Grundstück hatte Marx vor bald zweihundert Jahren ein paar Monate als Student gewohnt. Manchmal saß hier ein altes Ehepaar am Ufer und trank Schnaps.
Auch so, wie es nun war, blieb es nicht. 1993 hatte der Senat die Idee, die Olympischen Spiele des Jahres 2000 nach Berlin zu holen. In Stralau sollte das Olympische Dorf entstehen, schon bald begann der Abriss der Altbauten, kurz darauf drehten sich hier und da die ersten Kräne. In der Bewerbungskampagne ging vieles schief. Als Maskottchen hatte man eine Schnecke…?, einen Schmetterling?, nein, natürlich den Bären gewählt. Er hatte es nicht leicht, musste, wie in der zitty damals zu lesen war, Schmiergelder annehmen (oder verteilen?), mit dem DFB-Chef saufen, aus irgendwelchen Gründen Bruno Ganz als Hitler-Darsteller doubeln … es war zu viel: Er begann zu koksen. Doch er hatte Glück: Berlin flog aus dem Rennen. Gebaut wurde trotzdem. Warum auch nicht – die Stadt ist so groß, da kommt es auf eine langweilige Gegend mehr oder weniger nicht an.