Xenon = fremd
1926 war die Goldmark passé. Dafür brachte die Firma Agelindus Schönes auf Dächer und Fassaden. Die Technik, Edelgase in dünnen Glasröhren zum farbigen Leuchten zu bringen, war jung und verbesserungswürdig. Die Firma Koch experimentierte mit Röhren aus Opalglas. Fluoreszierende Salze an den Innenwänden ließen diese in Pastellfarben schimmern. Agelindus stellte Buchstaben aus Leuchtröhren her neben einer Technik, die bewegte Schriftzüge und Bilder im Neonlook erstrahlen ließ. Für weitere Entwicklungen fehlte das Geld, bis ein Herr Wiegand von Osram vor der Tür stand. Am Hauptsitz von Osram an der Warschauer Straße wurde nun mit den Technikern von Agelindus beraten, wie sich das Edelgas und die Chemikalien in lange, dünne Glasröhren füllen ließe und das Gemisch wegen der damals sehr instabilen Stromspannungen zu zünden wäre. Aus den USA bezog Osram ein Hartglas, mit dem die erste Großfertigung von Neonröhren in der Fabrik an der Rotherstraße möglich wurde. Die Neonreklamen waren kostengünstig und damit für den armen Boulevard Große Frankfurter Straße erschwinglich. Kritische Beobachter meckerten: „Dieses Lichtgefunkel der Neonreklamen komme dem Geschmeide einer Frau Neureich gleich.“ Osram wollte dagegen „nach Möglichkeit Konkurrenten auf dem Gebiet der Herstellung den Weg verbauen“ und beauftragte 1926 die Detektei Schimmelpfennig gegen Banse & Co. Leuchtreklamen zu ermitteln. 1931 ging Agelindus an Osram. Zuvor war in Luzern das Konsortium Ophinag (Osram-Philips Neon AG) gebildet worden. Der lukrative Markt für Leuchtröhren war damit einem Monopol entsprechend gesichert. Im Juli 1939 kam man bei Osram zur Meinung: „Die Zukunft der Drahtlampen ist ans Ende gelangt und als Lichtquelle soll die Leuchtstoffröhre auf den Markt kommen!“ Damit gehörten Leuchtstoffröhren in Rötlich-Weiß und Tageslicht-Weiß zum Angebot. Für Linientreue NS-Anhänger allerdings war das körperlose, sich dem Tageslicht anbiedernde Neonlicht ein undeutsches Licht. Eines, das der verhassten amerikanischen Lebensart entsprach.
Ich finde die Lichtwerbung ist ein ganz wichtiger Aspekt in unserem Alltag und im Straßenbild geworden. Umso interessanter finde ich, wie sich alles von der einfachen Gaslaterne bis heute entwickelt hat. Mir war gar nicht bewusst, dass bereits 1896 die erste Lichtwerbung in Berlin war, was ich für diese Zeit wirklich fortschrittlich finde.