Die Boxhagener Straße in Berlin-Friedrichshain | Quelle: Postkarte

Klare Verhältnisse

Die Boxhagener Straße in Berlin-Friedrichshain | Quelle: Postkarte
Doch hinter der Beschaulichkeit lauerte Tödliches.
/ Quelle: Postkarte /

„Anständige“ Beziehungen

1934 wurde die SA wegen ihrer Machtansprüche Hitler lästig, kurzerhand ließ er Führer der SA im Sommer auf dem Gelände der Kaserne der „Leibstandarte SS Adolf Hitler“ in Berlin-Lichterfelde erschießen. Traditionell war die Reichswehr zur Bewachung des Reichskanzlers abgestellt, doch Hitler als neuer Reichskanzler war misstrauisch. Er verlangte von der „Leibstandarte“ bewacht zu werden, sie galt als repräsentative Eliteeinheit. Sie war für Heinz Kaufmann ein Antrieb. Er gehörte im Juni 1933 zu den Gründern des Bonner SS-Ortsverbandes und kam Anfang 1934 zur dieser Einheit. Mit seinem Kameraden Siegfried Napiralla kam er im Sommer 1934 im Seifenladen nahe der Kaserne mit der beim Amtsrat Voigt Hausangestellten Irma Overbeck ins Gespräch. Siegfried machte auf Irma Eindruck.
Bald gingen sie miteinander, bis Siegfried einmal brutal über sie herfiel und die 19jährige zum Sex zwang. Irma war unfähig, sich zu wehren. Davon erfuhr Heinz. Er war „anständig“, mit ihm konnte Irma reden und er schrieb ihr glühende Liebesbriefe. Sie fasste Mut, sich von Siegfried zu lösen.
Mit Heinz wurde sie ein Paar. Eine „gute Braut“, neben dem „aufrechten“ Heinz, als der er von seinem Hauptscharführer gesehen wurde. Im September 1935 erfuhr sie nach einer Blinddarmoperation, sie hätte eine Gebärmutterknickung und könne deshalb nicht schwanger werden. Aber im Dezember 1936 musste sie Heinz darum bitten, sie zu heiraten, denn sie wäre trotzdem „verfallen“. Schlagartig zog sich Heinz zurück, sagte, er wäre verlobt und die Heirat beschlossen.
Irmas Bauch wurde dicker, sie verlor ihre Stellung, fand keine Arbeit und zog zu ihrer Freundin Erna in der Boxhagener Straße 24. Die lebte dort mit Mann und Sohn. Heinz ließ sich kaum noch blicken, gab kein Geld zur Unterstützung, Erna teilte ihr Haushaltsgeld mit Irma. Kurz vor der Geburt wollte Heinz sich „aussprechen“ und lockte Irma unter Vorwänden ans dunkle Havelufer bei Pichelsdorf, es passierte aber nichts. Wegen ihrer Kopfschmerzen gab er ihr starke Schlafmittel, die sie nicht nahm. Am 13. August gebar Irma ihre Tochter Anita, den Namen gab ihr Heinz.

Zweierlei Maß

Am 21. Dezember 1937 standen Polizisten vor dem Haus Boxhagener Straße 24. Anita war tot. „Sie wäre ihm aus der Hand gefallen“, sagte Heinz. Im Zuge der Ermittlungen wurden an „geeigneten Kindesleichen“ Versuche unternommen, wie die Verletzungen von Anita zustande gekommen waren. Anhand dieser Versuche wurde bewiesen, dass Heinz mit massiven Faustschlägen das Kind umgebracht hatte.
Am 6. November 1938 wurde die Tat als „unmenschlich, roh und abstoßend“ vom Gericht bezeichnet und es verhängte 12 Jahre Zuchthaus gegen Heinz. Während des „Ostfeldzuges“ verübten SS-Leute ähnliche und schlimmere Verbrechen an Kindern, die, wenn überhaupt, nach dem Krieg nur geringfügig geahndet wurden. Heinz zettelte 1940 ein Gefängnisaufstand an und wurde 1940 hingerichtet.
Erna und Irma kamen in den letzten Kriegswochen im Bombenhagel um.

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