Zeichen der Zeit
„Dieser Raubüberfall ist ein Zeichen der Zeit“, sagte ein Sprecher des Bezirksamts Friedrichshain am 24. April 1947.
„Das große Sterben beginnt“, war am 20. Februar 1947 ein anderes „Zeichen der Zeit“ und ein Hilferuf von der Pressestelle des Bezirksamtes Friedrichshain. Zwölf Wärmestuben boten im Januar 1947 Platz für 1.200 Personen, die vor der grimmigen Kälte dieses Winters Schutz suchten und mit Kaffeeersatz, Brühpaste und Knochenbrühe beköstigt wurden. Tausend Menschen schwebten in unmittelbarer Gefahr, an ihren Erfrierungen zu sterben. Im April 1947 wurden zehn Todesfälle durch Hunger und sieben durch Erfrieren gemeldet. Ständig lagen hilflose oder schwer verletzte Personen ohne Papiere vor dem Krankenhaus Friedrichshain. Die „Einlieferer“ blieben unbekannt.
Kein Romanheld
Es war eine Zeit, in der Werner Gladow aus der Schreinerstraße 52 beschloss, Gangsterboss zu werden. Romane und echte Überfälle, wie der vom 14. April 1947, der nie aufgeklärt wurde, waren ihm Vorbild. Gladow begnügte sich erst mit Überfällen auf Schwarzhändler, um dann äußerst brutale Raubüberfälle zu starten. Wie auf den Kaufmann Broscheit in der Frankfurter Allee. Die Bande fesselte ihn und seine Geschäftsführerin. Als Broscheit selbst nach massiven Drohungen und Folterungen – seine Füße wurden ihm mit Feuer verbrannt – keine Geldverstecke preisgab, ließ Gladow die Frau foltern. Die Bande stach mit Messern in die Brüste und Schenkel, bis die Frau schrie: „Den Schlüssel zum Geldversteck habe ich in meinem Mantel in der Pfarrstraße.“ Erst als das Geld geholt war, wurden die Opfer freigelassen.
In der unübersichtlichen Situation der Blockadezeit verübte die Bande schwerste Verbrechen. Gladows Verhaftung war erst nach einem einstündigen Feuergefecht am 3. Juni 1949 in der Schreinerstraße möglich. 1950 wurde er hingerichtet. Gladow gehörte, wie vermutlich die Täter des Überfalls vom 14. April 1947, zu den „Kindern ihrer Zeit“, die vom Überleben der Stärkeren gezeichnet war.