Zwischenwelten in Friedrichshain.
Damit alles seine Richtigkeit haben sollte, ließ sich Frau Klara Korf von ihrer Vertrauten, Frau Hinzmann, Fesseln anlegen. Dann wurden die Vorhänge geschlossen. Als von der Elisabethstraße 9 kein Licht mehr eindrang, bat Frau Korf, jetzt das Medium Abilla und die Anwesenden, Stille zu bewahren. Von Geisterhand berührt, fielen im Schimmer schwach rötlich-violetter Leuchten die Fesseln von Abilla ab. Mit der Aufforderung, es ihm gleichzutun, sang es: „Harre, meine Seele, harre des Herrn! Alles ihm befehle, hilft er doch so gern. Sei unverzagt, bald der Morgen tagt, und ein neuer Frühling folgt dem Winter nach. In allen Stürmen, in aller Not wird er dich beschirmen, der treue Gott!“ Da Geister sich gefällig zeigen, wenn sie Gesänge hören, und ein kühler Luftzug spürbar wurde, ging ein Raunen durch den Raum: „Sie sind da.“ Kleine Flammen züngelten um Abillas Arme. Ganz in Weiß saß es fast durchsichtig in der dunkelsten Ecke der Erdgeschosswohnung. Damit nicht genug. Fahle Gesichter schimmerten auf und eine tiefe Stimme rief: „Martha!“ „Herrmann“, schrie Martha und scheinbar schwebte sein schimmerndes Gesicht im Halbdunkel. Ja, das war ihr Mann. So wie sie ihn im November 1916 zum letzten Mal sah, bevor er 23 Jahre jung sein Leben im Krieg verlor. Jetzt aber unterbrach ein schneidendes „Halt!“ und helles Licht die Séance. Zwei Herren, einer hatte den versteckten Lichtschalter entdeckt, gaben sich als Kripobeamte vom Betrugsdezernat zu erkennen. Das Medium Abilla war dafür bekannt, mit den Seelen gefallener Soldaten in Kontakt zu treten und diese mithilfe eines Handschuhs und einer mit Phosphoröl präparierten Maske auftauchen lassen konnte. Ein weißes Mullkleid ließ Frau Korf zur Geistererscheinung werden, die Stimme der Bauchrednerin mittels eines Papierrohrs. Und die Luft pfiff aus einem Ballon ins Zimmer. Magnesiumlicht verursachte die kleinen Flammen. Viel Show für 5 Mark Eintritt. Am 31. Juli 1921 verlangte der Staatsanwalt sechs Wochen Gefängnis dafür, mit dem Argument, „dass man den Spiritismus nicht mit einer Bewegung abtun könne“, erwirkte der Verteidiger aber einen Freispruch.