Entwerter/Oder | Ein Experiment, das scheitern kann

Noch ohne Computer und IKEA-Stifthalter. Schreibtisch Mitte der 1980er Jahre / Foto: Uwe Warnke /
Noch ohne Computer und IKEA-Stifthalter. Schreibtisch Mitte der 1980er Jahre / Foto: Uwe Warnke /

Einfach machen

Im Gepäck waren eigene Texte, die keine Chance auf Veröffentlichung hatten. Er wollte sie zusammen mit seinem damaligen Freund aus Dresdner Tagen, Siegmar Körner, der ebenfalls für die Schublade schrieb und auch in Berlin angekommen war, irgendwie selbstbestimmt herausbringen. „Noch im Jahr des Umzugs gründeten wir Entwerter/Oder.“ Der Name ist ein Wortspiel, wie so manche damals im Umlauf waren: „Zum Bleistift“ oder „Was bleibt mir Walter Ulbricht?“ und andere mehr.  Das waren Witze auf die Sprachfloskeln der Funktionäre.
Dass offizielle DDR-Publikationen bestimmte Kunstrichtungen und kritische Künstler stets ausgrenzen würden, war nichts Neues. Neu war die sich immer deutlicher durchsetzende Ansicht: Wer in der DDR-Presse publiziert, auf den überträgt sich auch deren Unaufrichtigkeit.
Der Wunsch nach einem eigenen unzensierten Medium lag in der Luft. Die Idee war simpel: Jeder Künstler oder Autor, der etwas zu einer Ausgabe beitrug, hatte seine Arbeiten, ob Texte, Drucke oder Fotografien, selbst zu vervielfältigen und bekam nach Fertig­stellung dafür ein gebundenes Exemplar. Ebenso der Buchbinder Hinrich Peters, der bis in die 1990er Jahre in der Niederbarnimstraße eine eigene Werkstatt hatte und noch heute jede Ausgabe bindet. Sollten Exemplare übrig sein, gingen sie an andere Initiativen oder interessierte Freunde.
War das nicht verboten? „Wie mans nimmt,“ antwortet Uwe Warnke. „Es war damals von der Existenz eines DDR-Gesetzes die Rede, das Kunstdrucke und darin integrierte Texte bis zu einer Auflage von 99 Stück nicht ausdrücklich verbot.“ Allerdings hat es eine solche Bestimmung, wie sich später herausstellte, nie gegeben. Entwerter/Oder erschien illegal und war die erste Publikation ihrer Art, die dann auch den Weg in die Öffentlichkeit wagte. Andere folgten bald. Die erste Nummer hatte eine Auflage von gerade einmal vier Exemplaren. Doch der wichtigste Schritt war getan. Noch im selben Jahr erschien eine weitere Ausgabe. Bis 1989 wurden es 38. Die Auflagen stiegen langsam auf 25 Exemplare.

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