Spaß und Revolution
Mit ihren Freunden traf sie sich in Läden wie dem „Allende-Club“, in „Hirschgarten“ oder im „ABC-Club“ – angesagte Lokalitäten im Osten der Stadt. Beim „Alex-Treff“ kamen ihre New Romantics-Freunde zusammen. Auch war sie oft in der Galiläa-Kirche in der Rigaer Straße, wo sich seit 1983 zweimal in der Woche die Punks trafen. „Politik und Party lagen damals sehr nahe beieinander“, erklärt sie. „Es gab Zeiten, da war es gefährlich, Alkohol zu trinken, weil man immer auf der Hut vor der Polizei sein musste. Wegen der täglichen Schikanen war es für Punks in der DDR so gut wie ausgeschlossen, unpolitisch zu bleiben. Einmal hat sie sogar für Greenpeace an einer konspirativen Probeentnahme an der Werra teilgenommen – was ihr für den Fall des Erwischt-Werdens mehrere Jahre Gefängnis eingebracht hätte. Sie erinnert sich an ihren Stolz, als das Ergebnis durch die Westmedien ging: „Erster deutscher Fluss, der biologisch tot ist!“
Wie verschieden Ängste wahrgenommen werden, versucht mir Heike anhand eines Beispiels zu erläutern. „Eine ehemalige Schulfreundin tat mir gegenüber einmal sehr geheimnisvoll und ließ durchblicken, etwas ganz Verbotenes gemacht zu haben. Als ich nachfragte, stellte sich heraus, dass sie und ihr Freund irgendwo schwarz gezeltet hatten.“ Da lebte Heike aber schon längst nicht mehr im Randgebiet der Stadt.
Von Wilhelmshagen nach Friedrichshain
Mit dem Beginn der Lehre erwies es sich als notwendig, aus Wilhelmshagen fortzuziehen. „Ich wollte etwas mit Menschen machen. Auf keinen Fall im Büro sitzen oder an irgendeiner Maschine stehen. Blumenbinderin wäre ich gern geworden, doch für meine Noten, die an sich nicht schlecht waren, existierten zu wenig Ausbildungsplätze in der Stadt. Da gab mir meine Mutter den Tipp, Verkäuferin zu werden.“ Heike wurde Fachverkäuferin für OGS. Sie lacht auf, als ich frage, was diese geheimnisvolle Abkürzung bedeutet und klärt auf: „Obst, Gemüse und Speisekartoffeln“.
Ihr Ausbildungsbetrieb lag in Berlin-Mitte. Die Frühschicht begann so zeitig, dass manchmal noch keine S-Bahnen fuhren. Also besetzte Heike eine leerstehende Wohnung in der Boxhagener Straße. „Das war 1986, ein furchtbar kalter Winter, in dem es keine Kohlen mehr zu kaufen gab!“ Sie erinnert sich daran, dass ein LKW auf der Straße Kohlen abkippte, damit sich die Leute, die keine hatten, welche nehmen konnten. „Meine erste Einrichtung bestand aus einer Matratze mit Decke, einem Stern-Recorder, einem Wecker und einem Kaninchenfellmantel. Das reichte normalerweise, aber als es doch zu kalt wurde, musste ich für eine Woche fliehen.“ Auf die Frage, warum sie ausgerechnet in diesen Bezirk gezogen ist und nicht in den als „szenig“ bekannten Prenzlauer Berg, hat sie eine prompte Antwort parat: „Ich finde es in Friedrichshain familiärer!“