Neon und Friedrichshain.
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Ob nun 1826 Gaslaternen das Dunkel beseitigten oder 1884 die „Linden“ von elektrischen Bogenlampen in ein „feenhaftes Hell“ getaucht wurden, Besucher wie Thomas Alva Edison empfanden die Berliner lichterfüllten Einkaufstraßen als „Ufer, die eine Überfahrt in eine schönere Welt“ möglich machen konnten, und so schrieb er 1913: „Das Licht spukt hier und dort, es spiegelt sich in den Schaufenstern, tausendfältig im Pflaster der Straße, es setzt sich auf die dunklen Gesimse der Fassaden!“
Wechselspiel
In wechselnden Farben leuchtete der Name Jandorf an der Fassade des Kaufhauses an der Großen Frankfurter Straße 113 oder Hertie an der Front vom Kaufhaus an der Frankfurter Allee 5 / 7. 1896 kamen die ersten Lichtwerbeanlagen in Berlin zum Einsatz und 1898 warb das Manolirad per Animation. Der Zigarettenmarkenname war von einem Glühlampenkreis umgeben. Um den Eindruck eines sich drehenden Rades zu erzeugen, leuchtete jede der sehr störanfälligen Kohlefadenglühbirnen kurz auf. Mehr Zuverlässigkeit versprachen die Glühbirnen von Osram. Der Name bezog sich auf die Metalle Osmium und Wolfram, aus denen die Leuchtfäden gefertigt waren. Im Industriepalast Warschauer Straße 34 wurde das Produkt von der Gasglühlicht A.G. entwickelt, die sich 1906 ihr Haus Nummer 3 an der Rother Straße 11 bauen ließ. Als erstes Berliner Hochhaus krönte es die Produktionsanlagen für Glühbirnen.
Dachlicht
Die neuen Glühbirnen gaben der Lichtwerbung einen Schub. Über komplizierte Steuerungen waren nun szenische Darstellungen möglich. So 1912 für eine Installation von 1.600 Glühbirnen, die zeigten, wie eine Kupferberg-Gold-Sektflasche ein Sektglas füllt. Beleuchtete Schriftzüge kosteten 5.000 Goldmark, kam ein Schaltsystem dazu, stieg der Preis auf 12.000 Goldmark. Bei Osram verdienten Frauen seinerzeit 30 Pfennige pro Stunde.
Xenon = fremd
1926 war die Goldmark passé. Dafür brachte die Firma Agelindus Schönes auf Dächer und Fassaden. Die Technik, Edelgase in dünnen Glasröhren zum farbigen Leuchten zu bringen, war jung und verbesserungswürdig. Die Firma Koch experimentierte mit Röhren aus Opalglas. Fluoreszierende Salze an den Innenwänden ließen diese in Pastellfarben schimmern. Agelindus stellte Buchstaben aus Leuchtröhren her neben einer Technik, die bewegte Schriftzüge und Bilder im Neonlook erstrahlen ließ. Für weitere Entwicklungen fehlte das Geld, bis ein Herr Wiegand von Osram vor der Tür stand. Am Hauptsitz von Osram an der Warschauer Straße wurde nun mit den Technikern von Agelindus beraten, wie sich das Edelgas und die Chemikalien in lange, dünne Glasröhren füllen ließe und das Gemisch wegen der damals sehr instabilen Stromspannungen zu zünden wäre. Aus den USA bezog Osram ein Hartglas, mit dem die erste Großfertigung von Neonröhren in der Fabrik an der Rotherstraße möglich wurde. Die Neonreklamen waren kostengünstig und damit für den armen Boulevard Große Frankfurter Straße erschwinglich. Kritische Beobachter meckerten: „Dieses Lichtgefunkel der Neonreklamen komme dem Geschmeide einer Frau Neureich gleich.“ Osram wollte dagegen „nach Möglichkeit Konkurrenten auf dem Gebiet der Herstellung den Weg verbauen“ und beauftragte 1926 die Detektei Schimmelpfennig gegen Banse & Co. Leuchtreklamen zu ermitteln. 1931 ging Agelindus an Osram. Zuvor war in Luzern das Konsortium Ophinag (Osram-Philips Neon AG) gebildet worden. Der lukrative Markt für Leuchtröhren war damit einem Monopol entsprechend gesichert. Im Juli 1939 kam man bei Osram zur Meinung: „Die Zukunft der Drahtlampen ist ans Ende gelangt und als Lichtquelle soll die Leuchtstoffröhre auf den Markt kommen!“ Damit gehörten Leuchtstoffröhren in Rötlich-Weiß und Tageslicht-Weiß zum Angebot. Für Linientreue NS-Anhänger allerdings war das körperlose, sich dem Tageslicht anbiedernde Neonlicht ein undeutsches Licht. Eines, das der verhassten amerikanischen Lebensart entsprach.
Sparsam
Flackerten zur Schwarzmarktzeit Neonschriften über den Eingängen der Bars seitlich vom Kurfürstendamm, so strahlten wie in der Simon-Dach-Straße rote Neonsterne über dem Eingang sowjetischer Bezirkskommandanturen. Mit höchster Dringlichkeit und vor dem Hintergrund latenter Energieprobleme wurde in der Rotherstraße ein Leuchtstofflabor aufgebaut, dies in Zusammenarbeit mit Dr. Rudolf Seeliger, Professor an der Universität Greifswald. Dr. Ernst Neumann, Leiter der Leuchtstoffröhrenabteilung, sagte im Oktober 1949: „Die Leuchtstofflampe wird sich aufgrund ihrer Eigenschaften einführen und die Glühlampe zur Hälfte ersetzen.“ Um eine Beschädigung von Kontaktstiften zu vermeiden, entwickelte der VEB Berliner Kunststoff eine neuartige Fassungsschaltung für Leuchtstoffröhren, die Längendifferenzen automatisch ausglich. Bezirksingenieur Hermann Mohr konstruierte in seiner Freizeit eine Zündeinrichtung für in Reihen geschaltete Leuchtstofflampen. Nur, 1952 kostete die Leuchtstofflampe HN 120 teure zehn und die Type HN 50 acht Mark. Das Argument, die HN 120 verbrauche bei der Leuchtdichte einer 75-Watt-Glühbirne nur 31 Watt, zog wenig.
International auf dem Dach
Neben dem Energiemangel war 1978 der bevorstehende 30. Jahrestag der DDR ein Thema. Zum Jubiläum 1979 sollte Multinationales im Mittelpunkt stehen. Laut Beschluss vom 28. Mai 1978 war ein „Aufbau von Leuchtwerbeanlagen für Partner aus den sozialistischen Ländern auf die Dächer von Gebäuden der Karl-Marx-Allee“ vorgesehen. Die Planung lag bei der Interwerbung, Gesellschaft für Werbung und Auslandsmessen der DDR. Der VEB Neontechnik Halle, Außenstelle Berlin, übernahm die technische Seite. Für das „geschlossene städtebauliche Ensemble zwischen Strausberger Platz und Alexanderplatz“ galt einschränkend der Spruch der Bezirks-Abteilung Agitation und Propaganda der SED, dass „eine inhaltliche Beziehung zwischen der Werbung und dem Baukörper und dem Standort gegeben sein muß“ und „anstelle der konzentrierten Anbringung von ausländischen Leuchtwerbeanlagen wie in der Karl-Marx-Allee sollten künftig Einzelstandorte ausgewählt werden“.
Ich finde die Lichtwerbung ist ein ganz wichtiger Aspekt in unserem Alltag und im Straßenbild geworden. Umso interessanter finde ich, wie sich alles von der einfachen Gaslaterne bis heute entwickelt hat. Mir war gar nicht bewusst, dass bereits 1896 die erste Lichtwerbung in Berlin war, was ich für diese Zeit wirklich fortschrittlich finde.