Stadt neben Stadt
Die Folge war, dass die Landgemeinde Lichtenberg und das 1889 gegründete Boxhagen- Rummelsburg anfingen, selbst städtische Kommunen zu bilden. Sie schrieben Standorte für Betriebe aus, befestigten Straßen, errichteten Wasser-, Gas- und Elektrizitätsnetze und öffentliche Gebäude, wie Schulen, Rathäuser und andere Verwaltungsgebäude. Mit der Ansiedlung von Industriebetrieben und dem Aufbau leistungsfähiger Verkehrsverbindungen begannen die Ortschaften zu prosperieren. Zugleich bemühten sie sich um die Erringung des Stadtrechts. 1907 war es so weit: Lichtenberg erhielt durch allerhöchsten Erlass, unterzeichnet von Kaiser Wilhelm II., das Stadtrecht. 1908 war die Gründung vollzogen. Die Situation war grotesk. Berlin endete am Frankfurter Tor an der heutigen Karl-Marx-Allee, einige Schritte östlich der heutigen Straße der Pariser Kommune. Nach knapp zehn Minuten Fußweg begann an der Niederbarnimstraße die Stadt Lichtenberg. 1912 trat Boxhagen- Rummelsburg, das sich der Einfachheit halber nur noch Rummelsburg nannte, der Stadt Lichtenberg bei. Das vereinigte Lichtenberg besaß 143.000 Einwohner und war eine Großstadt. In diesem Jahr entstand der Zweckverband Groß-Berlin, ein Bündnis aus den Städten Berlin, Spandau, Schöneberg, Köpenick, Charlottenburg, Rixdorf / Neukölln, Wilmersdorf und Lichtenberg mit den Landkreisen Niederbarnim und Teltow. Hier wurden Fragen der Verkehrs- und Siedlungsplanung geregelt und der Bebauung und Erhaltung von Grünflächen. Damit und mit dem Erwerb von Teilen des Grunewalds und zahlreicher Straßenbahnbetriebe erwies sich der Verband als vorausschauend und legte Grundlagen für die Organisation der späteren Metropole. Allerdings erwiesen sich die Widerstände der Konservativen 1912 als noch zu stark. Erst nach dem Schock durch die Niederlage im Ersten Weltkrieg mit den folgenden Rücktritten der adligen Familien aus den Regierungen und nach der Revolution waren die konservativen Eliten so weit geschwächt, dass ihr Widerstand gegen die Gründung Groß-Berlins überwunden werden konnte. Für den Bezirk Friedrichshain waren die erstens Jahre schwer. Viele Nichtberliner zog es hierher, was die Arbeitsplatz- und Wohnungssituation schwer belastete, die Arbeiterschaft war nach den Märzkämpfen 1919 politisch verfeindet. Eine staatliche Jugend- und Sozialpolitik – das erste Mal, dass man in der Geschichte Deutschlands davon sprechen kann – musste sich erst entwickeln. Was die Berliner Verwaltung seinerzeit geleistet haben muss, kann man sich heute kaum vorstellen.