Die Zeitschrift Die Insel | Quelle: Titelblatt der Zeitschrift von 1931

Mit der Umsturzkaroline per Du

Die Freundin Damenclub Sappho | | Quelle: Titelblatt der Zeitschrift vom November 1929
Die Freundin war eine beliebte Zeitschrift für die Lesben. / Quelle: Titelblatt der Zeitschrift vom November 1929 /

Franz und seine Neigung.

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Franz liebte die Textzeile: „Das ist die Liebe der Matrosen! Auf die Dauer, lieber Schatz, ist mein Herz kein Ankerplatz. Es blühen an allen Küsten Rosen, und für jede gibt es tausendfach Ersatz.“ Franz Wiesener war 21 Jahre alt, als er in Königsberg seinen Militärdienst antrat. Auff ällig geworden, musste er als Unteroffi zier den „bunten Rock“ ablegen. Auch der höchste Würdenträger im Kaiserreich wurde auff ällig. Kaiser Wilhelm II. war mit dem Prinzen Philipp zu Eulenburg sehr vertraut. In privaten Briefen war Eulenburg der Phili und Wilhelm das Liebchen. Das war von politischer Brisanz. Beide gehörten dem Liebenberger Kreis an. Diese Gruppe einfl ussreicher Männer strebte den europäischen Großmächten gegenüber eine auf Kompromisse orientierte Politik an. Andeutungen gingen an die Presse, der Liebenberger Kreis sei ein Homosexuellenzirkel, der verschwörerisch versuchen würde, Einfluss auf die deutsche Außenpolitik zu gewinnen. Laut § 175 Reichsstrafgesetzbuch waren sexuelle Handlungen unter Männern verboten.

Franz in Berlin

Franz war aufgrund seiner innigen Kontakte zu anderen Männern ein Sicherheitsrisiko für seine Vorgesetzten. Er wurde aus dem Militärdienst entlassen, konnte aber nicht bestraft werden. Der § 175 stellte sexuelle Aktivitäten unter Strafe, aber keine Umarmungen oder Gunstbezeugungen. Franz fuhr ins liberale Berlin. Er bezog eine Wohnung in der Lange Straße 71. Ob nun eine besondere Kneipe in der Weberstraße oder der Müncheberger Straße, sie wurden zu seinen Anlaufpunkten und standen im Ruf, in „keiner Weise anstößig“ zu sein, so ein Polizeibericht. Schicklichkeiten waren angesagt: zierliche Knickse, sittsame Freundschaftsküsse auf die Wange. Spielte Max Engel, genannt „Die Sächsin“, Schnulzen auf dem Klavier, dann füllten sehr weiblich gekleidete Paare die Tanzfl äche. Brach die Musik ab, sah jeder, es waren Männer. „Die Mehrzahl der untereinander fl irtenden gehört dem Arbeiterstande an. Alle wollten am Wochenende oder an den Sonntagen ihrem Hang nach ungestört leben“, hieß es. Doch „um ihren Hang auch außerhalb ungestört leben zu können“, waren Spitznamen nötig, so wie Berta von Brunneck oder Umsturzkaroline. Letzter Name deshalb, weil ihre heftigen heftige Armbewegungen ab und an ein Bierglas umstießen.

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