Straßenbahn in Friedrichshain.
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Eine Frage, mit der Straßenbahnschaffner mindestens einmal am Tag konfrontiert wurden. Es ging um den Rest der Fahrkarten-Abreißblocks. Mehrere zusammengeklebte Blöcke reichten, um ein kleines Haus für Spielfiguren zu basteln. Beliebt war ein Sitzplatz am anderen Ende der alten Straßenbahn-Triebwagen. Hier saß man etwas höher, direkt vor einer großen Kurbel, neben vielen Knöpfen, die bunt aufleuchteten. Vor allem aber saß man hier allein, weg vom Trubel, der hinter einem stattfand. Aber das ist Geschichte.
Start mit Schwierigkeiten
Am 13. Mai 1871 wurde eine Pferdebahnlinie vom Büschingplatz zum Frankfurter Tor und in die Große Frankfurter Straße geplant. Eine zweite sollte das Friedrichshainer Gebiet auf dem Pfad der ehemaligen Stadtmauer berühren und zur das Stadtgebiet umspannenden Ringlinie werden. Der Hintergrund dieser Planungen waren die neuen Arbeiterwohnviertel auf den ehemaligen Feldern am Rande des Stadtkerns. Ab 1871 verband eine Eisenbahn-Ringbahn diese Gegenden untereinander, aber wie im Fall des Bahnhofs Friedrichsberg heute: Frankfurter Allee, reichten diese Halteplätze nicht aus. Die Bahnbetreiber versuchten, die Pferdebahn-Planungen zu verhindern. Sie sahen hier eine Konkurrenz. 1875 wurden Konzessionen zum Betrieb der Pferdebahnen erteilt. Nun konnte man vom Alexanderplatz bis zum Bahnhof Friedrichsberg per Straßenbahn fahren. Der wichtige Zentralviehhof wurde im Dezember 1881 mit zwei Linien an das Pferdebahnnetz angeschlossen, die das heutige Friedrichshainer Gebiet durchquerten.
Neue Möglichkeiten
1897 war die Umstellung des Straßenbahnbetriebes auf das neue technische Medium Elektrizität beschlossen. 1896 wurde eine elektrische Straßenbahnlinie vom Bahnhof Zoo bis zur Berliner Gewerbeausstellung in Treptow angelegt. Ein Glanzpunkt sollte ein Straßenbahntunnel von Alt-Stralau unter der Spree hindurch nach Treptow werden. Wegen Schwierigkeiten beim Bau verzögerte sich dessen Inbetriebnahme bis 1899. Dutzende von Straßenbahnlinien durchzogen jetzt das Berliner Stadtgebiet. Neu war die zweigleisige „Flachbahn“. Sie sollte von der „Hochbahn Warschauer Brücke“ aus, die Gemeinden Boxhagen-Rummelsburg durchqueren und an der Jungstraße enden. Schutz vor „vagabundierenden Strömen“ war zu gewährleisten. Die Leitungsdrähte „hatten tunlichst 5.50 m oder mindestens 5 m über dem Pflaster zu sein“. Von morgens 6 Uhr bis 22.30 Uhr musste die Strecke im 10-Minutentakt befahren werden, um einen Anschluß von und nach den Hochbahnzügen auf der Umsteigestation Warschauer Brücke zu ermöglichen“. „Bei einem Fahrpreis von 10 Pfennigen“, war in einem Verkehrsvertrag von 1907 festgelegt. 1912 wurde die Linie bis zum Lichtenberger Wagnerplatz (Roedeliusplatz) erweitert.
Start mit Unterbrechungen
Am 26. Januar 1914, wurde geplant, die Linie 9 der „Großen Berliner Straßenbahn“, von der Gotzkowskistraße zum Schlesischen Bahnhof über die Stralauer Allee zum Stralauer Tunnel im 15-Minutentakt bis nach Köpenick zu führen. Dafür wurden der Abriss des Hotels „Märkischer Hof“ am Schlesischen Bahnhof und Aufstellungsgleise am Tunnel notwendig. Das Militär verlangte im Ersten Weltkrieg, die neue Strecke nicht für Personen-, sondern für Materialtransporte zu nutzen. Erst am 1. Januar 1920, konnte die Linie 83 von der Behrenstraße bis nach Köpenick diese Route befahren und nutzte dafür die Stralauer „Knüppelbahn“. Die Tunnelstrecke war eingleisig angelegt und aus Sicherheitsgründen hatte der Fahrer bei der Einfahrt einen Knüppel entgegenzunehmen und ihn bei der Ausfahrt wieder abzugeben.
Zu teuer
30 Pfennige kostete 1920 ein Fahrschein, 1923 jedoch 150.000 Mark. Wer umsteigen wollte, musste 225.000 Mark blechen, die kaum jemand hatte. Die städtische Straßenbahngesellschaft ging darüber in Konkurs. 81 Straßenbahnlinien wurden am 8.September 1923 eingestellt. Nur die „Flachbahnstrecke“ vom U-Bahnhof Warschauer Straße bis nach Lichtenberg nicht. Die „Nummer 90“, war in Privatbesitz.
Neue Züge
Der Depression folgte ein Aufbruch. Zwischen 1924 und 1926 stellt die „Betriebs-GmbH“, 501 neue Trieb- und 803 Beiwagen in den Dienst. 1927 kamen Mitteleinstiegs-Triebwagen, die „Schützenwagen“, auf die Schiene. Öfters modernisiert, prägten sie für Jahrzehnte das Berliner Straßenbild. Die Große Frankfurter Straße oder die Warschauer Straße, sie waren Straßenbahn-Magistralen. Ob die „176“ von der Hundekehle nach Hohenschönhausen, die „69“ von Johannisthal zum Bayerischen Platz, die „5 – Außenring“, die „9 – Ostring“, und andere mehr, alle verkehren bis in den Herbst 1944 im engen Taktschema. Um die Tag- und Nachtarbeit in den Rüstungsbetrieben zu gewährleisten, wird 1941 ein durchgehender Nachtverkehr eingerichtet. 1942 transportiert die Straßenbahn 914 Millionen Fahrgäste.
Andere Gesichter
Die „1 – Ring“, die vom Halleschen Tor, über den Potsdamer-, den Alexanderplatz, Friedrichshain erreichte, dann wegen der Kriegsschäden bis zur Oberbaumbrücke verschiedene Straßen kreuzte, und von dort zurück zum Halleschen Tor fuhr, war eine, die in Ost- und Westberlin verkehrte. Ein Politikum, nicht nur wegen verschiedener Währungen. 1950 bildete die BVB Fahrerinnen aus. Die BVG dagegen verbot Frauen den Steuerstand der Straßenbahn. An der Oberbaumbrücke hatte die Fahrerin auszusteigen, um dem männlichen BVG-Kollegen Platz zu machen. Ab und an jedoch fuhren die Kolleginnen einfach weiter. Am 14. Januar 1953 eskalierte die Situation. Mit der Begründung: „Man könne nicht dulden, dass Straßenbahnwagen, bei denen Frauen auf dem Führerstand stehen, durch die Westsektoren fahren“, wurde die Tour der „1“ von der Polizei am Moritzplatz abgebrochen. Vom „Neuen Deutschland“, hieß es dazu: „Diese willkürliche Anweisung verstößt gegen die in der Westberliner Verfassung garantierte Gleichberechtigung der Frau“ Am 16. Januar 1953, wurde daraufhin die Strecke vom Halleschen Tor bis zur Stalinallee eingestellt. Ein getrenntes Straßenbahnnetz war wenig später die Folge. In Westberlin galt die Straßenbahn als ein Relikt vergangener Zeiten und wurde 1967 abgeschafft. In der „Hauptstadt“ zwar nicht, dafür wurde sie aber von der Karl-Marx-Allee verbannt. Um den Autoverkehr nicht zu stören, überquert bis heute keine Straßenbahn die Oberbaumbrücke.