Eva Hübner, Leiterin der INSELGALERIE Berlin | Foto: Giovanni Lo Curto

Mit jeder Ausstellung tauche ich in eine andere Welt ein

Eva Hübner, Leiterin der INSELGALERIE Berlin | Foto: Giovanni Lo Curto
Eva Hübner in einem der Ausstellungsräume. Besucher wissen oft nicht, welche Mühe es bereitet, eine anspruchsvolle Galerie gut zu führen. / Foto: Giovanni Lo Curto /

Zu Besuch bei der Leiterin der INSELGALERIE Berlin, Eva Hübner.

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Als Verkehrsknoten gehört der Bersarinplatz eher zu den Gebrauchsplätzen. Er ist kein repräsentatives Schmuckstück. Hier residiert seit 2017 die INSELGALERIE Berlin, alles andere als ein Selbstzweck-Unternehmen. Ihr Konzept setzt auf Veränderungen, und zwar im Hinblick auf die immer noch viel zu wenig beachtete und durchgesetzte Gleichberechtigung von Künstlerinnen im Kunstgeschehen. Die INSELGALERIE Berlin gibt deshalb ausschließlich Künstlerinnen die Möglichkeit der Präsentation.

Die Inselgalerie Berlin am Bersarinplatz | Foto: INSELGALERIE
Die Ausstellungseinrichtung richtet sich nicht ausschließlich an
Besucherinnen. / Foto: INSELGALERIE /

Der andere Blick

Ich bin mit Eva Hübner verabredet, die vor drei Jahren durch den Trägerverein der Galerie als Leiterin berufen wurde. Sie berichtet aus der 25-jährigen Geschichte der Galerie. Schon in den ersten Jahren der Deutschen Einheit zeigte sich, dass es Künstlerinnen in den östlichen Bundesländern unter den neuen Gegebenheiten besonders schwer haben würden. 1993 wurde der Verein „Berliner Fraueninitiative Xanthippe e.V.“ ins Leben gerufen. In der Kulturgeschichte steht dieser Name für ein zänkisches böses Weib, die Frau des geplagten Sokrates. „Das ist aber die Frau eines Philosophen, die selbst Forderungen stellt. Deshalb wird sie nicht gemocht. Wir wählten ganz bewusst diesen Namen, um Vorurteile gegenüber selbstbewussten Frauen abzubauen, denn Widerspruch und Widerstand sind enorm wichtig.“ Eva Hübner ist eine kleine Frau, bei der man auf den ersten Blick nicht die Energie vermutet, mit der sie die Galerie leitet. Sie widmet sich sehr konzentriert unserem Gespräch, kann aber auch angesichts der Bilder ins Schwärmen geraten. Ihre Analyse des Kunstbetriebs ist eher nüchtern und ernüchternd: „Frauen sind in der Kunst unterrepräsentiert. Als Absolventinnen der Kunsthochschulen bilden sie die Mehrzahl, doch in den Galerien, Katalogen und auf Messen sind sie nur im Verhältnis 2 zu 10 präsent.“ Die Ursachen liegen an den unterschiedlichen Biografien von Frauen und Männern. „Frauen mit Familie und Kindern sind oft für den Markt nicht durchgängig produktiv.“ Wenn Galeristen in Künstlerinnen und Künstler investieren, erwarten sie, dass sich dies innerhalb einer gewissen Zeit amortisiert. Junge Künstlerinnen, die für ein paar Jahre ausfallen können, sind da ein Risiko.
„Mütter können sich an Stipendien für artists in residence zumeist gar nicht beteiligen. Es gibt in Deutschland meines Wissens nur einen einzigen Ort für Familien- Residenzia.“
Machen Frauen andere Kunst als Männer? Eva Hübner überlegt einen Moment. „Nicht stilistisch. Sie haben jedoch andere Lebenserfahrungen und damit andere Sichtweisen.“
Zum Profil der Galerie gehören Veranstaltungen wie Gespräche, Konzerte, Lesungen oder Vorträge, was zusätzlich dazu beiträgt, ihre speziellen Perspektiven einzubringen. So gibt es im September ein Symposium WEGLÄNGEN, das sich den Transformationsprozessen in der öffentlichen Wahrnehmung der Kunst von Frauen seit 1990 widmet. Den Rahmen dazu bildet eine gleichnamige Ausstellung, die ab dem 4. September in der Galerie drei Künstlerinnen vorstellt, die 1991 / 92 an der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme „eigen art ost frau“ teilnahmen, zusammen mit drei jüngeren Künstlerinnen, die erst nach 1990 studierten und ihre Karriere starteten.

Ausstellung
Ein Panoramblick in die aktuelle Austellung. / Foto: Giovanni Lo Curto /

Nicht so geplant

Vor ihrem Platz am Bersarinplatz musste die Galerie ihre ersten Standorte – in der Inselstraße und später in der Torstraße in Mitte verlassen. 2016 wurde ihr auch dort gekündigt. „Die Wohnungsbaugesellschaft schlug uns dann diese Räume als temporäre Alternative vor“, erläutert Eva Hübner. „Vor uns gab es zuerst einen Fleischer, dann eine Kneipe und schließlich die Sparkasse – weiträumig mit Durchbrüchen, die viele Sichtachsen und sehr schöne Durchblicke bieten.
“Sie selbst hat den Verein als Mitarbeiterin der Kulturinitiative FÖRDERBAND e.V. seit Jahren gekannt, bevor sie zu XANTHIPPE wechselte. Angeworben hat sie die streitbare Gründerin des Vereins, Ilse-Maria Dorfstecher, die im März dieses Jahres 88-jährig verstarb. „Sie fragte mich, ob ich jemanden kennen würde, der die Galerie als Leiterin weiterführen könnte. Eine schwierige Aufgabe, denn ohne eine vorhandene private Basisfinanzierung ist eine solche Arbeit kaum zu leisten“, ergänzt Eva Hübner. „Dann rief sie mich erneut an und trug mir diese Aufgabe an. Ich habe lange überlegt und mir Zeit zum Hospitieren gelassen.“
Schließlich sagte sie zu. Begeisterung für die Kunst, Organisationstalent und Umgang mit Menschen erwarb sich die studierte Bibliothekswissenschaftlerin in unterschiedlichsten Berufen, in denen sie gearbeitet hat. Sie betreute zwei Fachzeitschriften, arbeitete beim Rundfunk und als Referentin an den Kunsthochschulen in Leipzig und Dresden. „Der jetzige Galeriestandort ist mir vertraut, habe ich doch früher schon in Friedrichhain gewohnt, wie auch jetzt.“

Ausstellungseröffnung in der INSELGALERIE Berlin | Foto: Ange Schmiert
Ausstellungseröffnung FRESH LEGS am 26. Juni 2020. / Foto: Ange Schmiert /

Kunst von Frauen in Netzwerken

Momentan läuft die 263. Ausstellung bis zum 15. August unter dem Namen FRESH LEGS, was so viel wie „frische Füße“ bedeutet, „flinke Füße“ von jungen internationalen Künstlerinnen. Gemeinsam mit der Galleri Heike Arndt DK/DE in der Voigtstraße werden die Ergebnisse einer internationalen Ausschreibung gezeigt. Es ist die zweite Parallelpräsentation mit diesem Profil. 28 Künstlerinnen aus 11 Ländern stellen momentan am Bersarinplatz aus. Eine überraschend vielseitige Schau. Eine dritte im Bund ist die Galerie Kuchling in der Karl-Marx-Allee, die mit ihrer Ladeninschrift Galerie für Frische Kunst wirbt. Ein gemeinsamer Flyer „Galerien an den Alleen“ informiert über die Programme der drei Galerien.
Was Netzwerke vermögen, zeigte im letzten Jahr zum Beispiel die Ausstellung des MalerinnenNetzWerks Berlin-Leipzig, in der 28 zeitgenössische Künstlerinnen aus Berlin und Leipzig unter dem Titel VOIX im Museum der bildenden Künste in Leipzig ihre Bilder präsentierten.
Das Programm zum 25. Jahrestag der INSELGALERIE musste wegen Corona reduziert bzw. verlegt werden. Aber der Neustart ist gemacht: Am 4. August stellt Juliane Ebener Film und Buch über ihre Spurensuche zum Krieg in Jugoslawien vor. Und am 15. August enden die Fresh Legs mit einer Finissage. Es hat eine Weile gedauert, bis die INSELGALERIE Berlin in der Nachbarschaft von Kunstvereinen, Galerien, Kolleginnen und Kollegen sowie von einigen hiesigen Ämtern zur Kenntnis genommen wurde. Leider gehört das Kulturamt Friedrichshain-Kreuzberg zu den Institutionen, die sich bisher noch nicht in der INSELGALERIE Berlin blicken ließen, ebenso wenig in der Galleri Heike Arndt DK/DM. In den nächsten Wochen ergibt sich mehrfach die Gelegenheit, dies nachzuholen. Wer mit dem Ruf des Kreativbezirks wirbt, sollte die einschlägigen Einrichtungen auch aus eigenem Interesse kennen.

www.inselgalerie-berlin.de

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