Verlogene Politik
1948 wies die Tageszeitung Neues Deutschland die Behauptung eines Sozialdemokraten, sie sei Gefangene Stalins, als üble Verleumdung der Sowjetunion zurück und präsentierte einen gefälschten Brief Zenzl Mühsams. DDR-Präsident Wilhelm Pieck, der Mühsam persönlich kannte und nach dessen Haftentlassung 1925 eine Laudatio auf ihn vorgetragen hatte, war die Situation der Witwe Mühsams sehr wohl bekannt. Den Mut, sich als Präsident der DDR bei Stalin für ihre Freilassung einzusetzen, fand er nicht. Als die Mühsamstraße ihren Namen erhielt, hatte Zenzl Mühsam noch vier Jahre Haft vor sich. Erst 1955 kam sie nach Berlin zurück, wo sie von der Staatssicherheit bis zu ihrem Tod 1962 misstrauisch beobachtet wurde.
Wohnraumverfall
In der DDR verfielen die Gebäude der Mühsamstraße zusehends. Putz bröckelte, Anstrich blätterte, das Mauerwerk war vielerorts feucht. Einzelne Sanierungen halfen nicht über den Anschein einer typischen heruntergekommenen Berliner Altbaugegend hinweg, ebenso wenig, dass die Wohnungsverwaltung seit Ende der 1970er Jahre großzügig Ausbauwohnungen förderte, die von den Mietern selbst saniert wurden. Schlecht vermietbarer Wohnraum und zunehmender Leerstand führten dazu, dass die Mühsamstraße zu einem beliebten Zuzugsgebiete von Wohnungsbesetzern wurde. Die kleine Kneipe Zuppe in der Mühsamstraße gegenüber der Eckertstraße, die von ihnen gern frequentiert wurde, schloss zu deren Bedauern bereits in der ersten Hälfte der 1980er Jahre.